STRUKTURENKNÄUEL
: Das Kombinat (2)

Ich weiß nicht, was der Plan war. Ich hatte keinen

Nach einer längeren Fahrt mit der BVG erreichte ich das Gelände im Norden der Stadt. Natürlich war Jason der Erste, auf den ich traf, da war das Kombinat noch gar nicht geöffnet. In den Katakomben puderten sich die Vorführfrauen vor verstaubten Spiegeln, das Publikum saß noch auf alten Holzstühlen in den Cafés der Innenstadt. Jason und ich stellten uns vor den Eingang, um zu rauchen, mit Blick auf den leeren Hof, der auf weiße Kastenwagen wartete, auf cremefarbene Taxis, auf dunkle Limousinen.

Ich weiß nicht, was der Plan war. Ich hatte keinen. Was normal war. Es war keinesfalls beängstigend, es bedeutete lediglich, dass ich irgendwo anfangen musste, und wo anfangen, wenn nicht hier, im Kombinat, in diesem unscheinbaren Neubau, in dieser Schaltzentrale, in der es im Wesentlichen um Telefonnummern, um Oberflächen ging. Und mein bester Kontakt war eben Jason, der hier als Fotograf arbeitete und alles schon gesehen hatte, das Verhüllte, das Nackte, ob ein Objektiv griffbereit war oder nicht.

Jason hielt seine Kippe, als ob er in einem Kriegsfilm mitspielte, fasste sich dann an seine graue Wollmütze, an der Seite schauten lange Haare heraus. Er sah eigentlich wie ein Trottel aus, denn weder gab es einen triftigen Grund für die Mütze noch einen für die langen Haare. Ich versuchte ihm die Angelegenheit zu erklären. Er machte Geräusche, die Verständnis signalisieren sollten, und zog hier und da die Augenbrauen hoch.

Vermutlich hielt er das alles für furchtbar albern. Modemafia. So etwas gibt es gar nicht. Es sei alles eher ein Strukturenknäuel, bei dem es kaum lose Enden gab. Verstrickungen also, die automatisch über die Dinge entschieden. Und alle nur noch tiefer reinzögen. Usw. Die Sache war außerdem die, dass die Redakteurin das eigentlich am besten wissen müsse. Sie wäre ja auch alles andere als unschuldig daran. RENÉ HAMANN