Ein schöner, blasser, fader Mann

PARIS Mit „Bel Ami“ haben Declan Donnellan und Nick Ormerod die Chance verpasst, die vielen modernen Bezüge in dem Roman von Guy de Maupassant auszuspielen

Ausstattungskino mit vielen Schauwerten, damit die intellektuelle und kreative Dürftigkeit nicht auffällt

VON WILFRIED HIPPEN

Der Roman wirkt heute so aktuell, dass man sich über die Parallelen zwischen dem Paris des 19. Jahrhundert und der Gegenwart nur wundern kann. Damals blühte die Mediengesellschaft zum ersten Mal so auf wie heute das digitale Netz. Durch Börsenspekulationen wurden Volkswirtschaften in den Ruin getrieben, gerissene Emporkömmlinge hatten mehr Macht als die Mitglieder der alten Eliten und die Invasion eines arabischen Landes wurde durch eine Kampagne in den Zeitungen vorbereitet.

Aber all das interessierte die beiden britischen Regisseure Declan Donnellan und Nick Ormerod offensichtlich wenig, denn ihre Adaption von Guy de Maupassants scharfsinnigem Gesellschaftsroman ist so eindimensional und harmlos, dass sogar die deutsche Verfilmung von Willi Forst aus dem Jahr 1939 (!) tiefschürfender und satirischer gelungen ist. „Bel Ami“ ist reines Ausstattungskino mit möglichst beeindruckenden Panoramen, in denen die Kutschen, Kleider, Möbel, Frisuren und luxuriösen Gelage soviel Schauwerte bieten sollen, dass die intellektuelle und kreative Dürftigkeit des Films nicht auffällt.

Erzählt wird von dem mittel- und talentlosen Kriegsheimkehrer Georges Duroy, der durch einen guten alten Kameraden in die feine französische Gesellschaft eingeführt wird. Durch diese Beziehungen bekommt er eine kleine Stelle bei einer Zeitung, aber seine Karriere als Journalist scheint schnell beendet zu sein, nachdem klar wird, dass er nicht schreiben kann.

Aber er lernt schnell die für ihn wichtigste Lektion, dass „die wichtigsten Leute in Paris nicht Männer, sondern ihre Frauen sind“. So nutzt er sein gutes Aussehen und seinen Charme, um einflussreiche Frauen zu verführen und sich von ihnen protegieren zu lassen. Obwohl die Männer ihn verachten, wächst seine Macht. Er plant seine Liebschaften und später auch Ehen mit einem genauen Blick dafür, wie ihn die Frauen weiterbringen können. Dabei treibt ihn selber nur der Ehrgeiz und die Geldgier an.

Rolf Vollmann schreibt in seinem Literaturführer „Die wunderbaren Falschmünzer“ über den Roman: „intensiver aber als der Frauenliebling werden aber die Frauen geschildert“ und zumindest die Besetzung lässt vermuten, dass Donnellan und Ormerod ein ähnliches Konzept hatten. Mit Uma Thurman, Christina Ricci und Kristin Scott Thomas spielen drei hochkarätige Schauspielerinnen die Geliebten des Protagonisten, doch keiner von ihnen wird der Raum geboten, sich als Filmcharakter wirklich zu entwickeln. Den Regisseuren ist dann doch eine aufwendige Ballszene mit aufreizenden CanCan-Tänzerinnen wichtiger als die Entwicklung einer der Figuren und da die Verführungskünste des schönen Freundes eher behauptet als vorgeführt werden, bleiben auch die erotischen Szenen des Films seltsam konstruiert und unsinnlich.

Dies liegt auch an der Besetzung des Titelhelden. Die Regisseure müssen es für eine besonders raffinierte Idee gehalten haben, den Frauenschwarm des 19. Jahrhunderts durch den Mädchenschwarm von heute spielen zu lassen. Robert Pattinson bekam durch die Rolle des romantischen Vampirs Edward in der Spielfilmserie „Twilight-Saga“ das Image eines unwiderstehlichen Verführers. Jene lethargische Leere, die ihn als Vampir so mysteriös und anziehend wirken ließ, ist aber bei dieser Rolle völlig fehl am Platze und der 25-jährige Darsteller hat (noch?) nicht jene Wandlungsfähigkeit, mit der er solch eine Figur glaubwürdig und faszinierend verkörpern könnte. Stattdessen verlassen er und die Regisseure sich zu sehr auf jene seiner Manierismen, von denen sie denken, dass sie verführerisch wirken. Doch sein schwerer Blick und das ständige Verziehen des Unterkiefers machen noch keinen „Bel Ami“.