Mord in der Selbstmord-Klinik

LEBENSMÜDE Mit „Kill Me Please“ hat Olias Barco eine Groteske über medizinisch assistierte Suizide inszeniert, und dabei ist ihm ein makaberer Anti-Zauberberg gelungen

„Kill Me Please“ ist in der Tradition von Provokationen wie „Das große Fressen“ und „Mann beißt Hund“ gebaut

VON WILFRIED HIPPEN

Nach seinem ersten Film wollte er sich umbringen, doch dann machte er lieber einen Film über Selbstmörder. Ob man diesen Satz von Olias Barco für bare Münze nehmen sollte, ist wohl eher fraglich, aber er passt zu einem Regisseur, der einen Film über eine Selbstmordklinik macht, in der zuerst die Patienten und später dann auch das Personal ihres Lebens nicht mehr sicher sind. Anregen ließ er sich durch den Schweizer Verband Dignitas, der medizinisch-assistierte Suizide anbietet. Barco hat dieses Idee konsequent weiter gedacht. „Kill Me Please“ spielt in einer Privat-Klinik, in der eine vom Chefarzt persönlich ausgewählte Elite von Menschen, die freiwillig ihr Leben beenden wollen, dies so schmerzfrei und luxuriös wie nur möglich tun können. Es gibt strenge Aufnahmeregeln und in den ersten Szenen des Films versucht berühmter Filmemacher (gespielt von dem Schauspieler und Regisseur Benoit Poelvoorde, der zurzeit in fast jedem neuen französischsprachigen Film zu sehen ist) vergeblich, sich als angeblich unheilbar Kranker einen angenehmen Suizid zu erschleichen. In den Genuss solch eines perfekten Todes kommt statt ihm ein anderer Patient, der sein Gift mit Champagner mischt und in den letzten Minuten seines Lebens mit einer attraktiven, jungen Studentin schläft, die ihm vom Chefarzt zugeführt wird. Auch sonst scheint dieser seinen Betrieb sehr gut organisiert zu haben. Die in einer idyllischen Landschaft gelegene Klinik ist mit Patienten (oder besser Kunden) voll belegt, und finanziell rechnet sich das Unternehmen so gut, dass eine Finanzbeamtin im Hause recherchiert, weil viele der Verstorbenen dem Doktor als ihren alleinigen Erben eingesetzt haben.

Die luxuriöse Klinik als Mikrokosmos mit den durchweg merkwürdigen Patienten und dem mächtigen Oberarzt – dieses Setting erinnert an den „Zauberberg“ von Thomas Mann, doch Barco geht schnell daran, dieses bürgerliche Utopia brachial zu demolieren. Bei den bäuerlichen Nachbarn ist die Klinik verhasst und eines Tages wird ein Feuer gelegt, bei dem ein mysteriöser Fremder stirbt (und so den Neid der Klinikgäste weckt), vor allem aber die Speisekammer abbrennt. Danach können die Patienten das ihnen versprochene letzte Mahl nach ihren sehr speziellen Wünschen vergessen und nun reagieren sie wie typische Kunden, die darauf pochen dass die ihnen vertraglich garantierten und bezahlten Leistungen erbracht werden.

Selten wird im Kino solch eine dekadente und unsympathische Brut wie die Gäste der Klinik zusammengebracht. Olias Braco führt uns hier eine Reihe von übersättigten Wohlstandsmonstern vor, die aus reinem Überdruss und Langeweile ihr Leben beenden wollen. Mit einem irritierend sadistischen Unterton schlachtet er in der zweiten Hälfte des Films dann auch einen nach dem anderen ab. Dabei reizt er die ironische Volte, dass die Selbstmörder von geheimnisvollen Angreifern ermordet werden, ein wenig zu sehr aus.

„Kill me Please“ ist in der Tradition von Grotesken wie „Das große Fressen“ und „Mann beißt Hund“ gebaut, in denen die Menschen ja ebenfalls mit viel Energie danach trachten, ihren Todessehnsüchten zu folgen. In solch einem Film ist kein Platz für eine positive Figur, und so verzichtet Braco konsequent auf einen Sympathieträger. Nur die Diva Madame Zaza scheint zumindest seinen Respekt zu haben. Sie will sterben, weil sie ihre Stimme verloren hat, doch das hindert sie nicht daran, mit Inbrunst ein Lied von Zarah Leander zu singen um gleich danach einen Angreifer als Nazi zu beschimpfen. Noch ein Beispiel für den verdrehten Witz von Olias Barco, der seinen Film konsequent mit einem letal klingenden Hustenanfall enden lässt.