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Medianeras – Liebe in virtuellen Zeiten Argentinien 2011, R: Gustavo Taretto, D: Pilar López de Ayala, Javier Drolas / Originalfassung mit Untertiteln

Buenos Aires ist die dritte Protagonistin dieser Tragikomödie. Und als erste im Bild. Die nächtliche Skyline der Hochhäuser. Eine Stimme aus dem Off legt Überlegungen zur urbanen Unwirtlichkeit dar: Die Planung fehle beim Häuserbauen, Buenos Aires würde chaotisch wachsen: Auf wessen Klingel A oder B steht, der hat Glück (und Geld), wohnt in den hellen Wohnungen, je weiter im Alphabet die Buchstaben stehen, desto verschatteter sind die Wohnungen. Dazu Bilder von Stilbrüchen von Haus zu Haus.

Es ist Martín, der sich diese Gedanken macht. Selbstverständlich sitzt er dabei vor seinen beiden Rechnern. In seiner dunklen Ein-Zimmer-Wohnung. In Buenos Aires heißen solche Arbeiterschließfächer Schuhkartons. Martín lebt davon, zu Hause Internetseiten zu bauen. Sein erster Kunde war sein Therapeut. Auch seine Freizeit verbringt er am Rechner.

Im Hochhaus nebenan wohnt seit kurzem Mariana, auch in einem Schuhkarton. Sie hat sich von ihrem Freund getrennt, sich hierhin zurückgezogen. Eingekapselt, wie Martín. Studiert hat sie Architektur.

Auch sie hat lässt uns als Stimme aus dem Off an ihren Gedanken zur Architekturkritik teilhaben. Sie arbeitet für sich, als Schaufensterdekorateurin. Einige Schaufensterpuppen nimmt sie sich als Gesellschaft mit in ihre Wohnung. Ansonsten: Phobien und Ängste. Wie bei Martín.

Beide ringen darum, sich selbst zu öffnen zu anderen Menschen, wollen sich verlieben. Zwischen den Außentrennwänden der Häuser, in denen sie wohnen, stehen niedrige Häuser. Diese Trennwände zwischen den Häusern haben etwas Verbindendes und etwas Trennendes, überlegt Mariana. Und immer wieder gibt es einige HausbewohnerInnen, die etwas Licht in ihre dunklen, schlauchförmigen Wohnungen bringen wollen – und die Trennwände öffnen für Fenster, für Licht.

Auch Mariana und Martín tun es. Und schauen aus der Distanz auf das einzelne Fenster gegenüber.

Der Regisseur Gustavo Taretto setzt symbolisch die Sehnsucht gegen die Anonymität der Großstadt, Buenos Aires ist und bleibt in Medianeras ein Moloch. Zum Glück unterläuft die Kamera den entsprechenden Diskurs öfter, zeigt die widersprüchliche Lebendigkeit der Metropole am Rio de La Plata.

Dass Urbanität sich konfliktiv entwickelt, sich in der Architektur und in ihrer Belebung gesellschaftliche Kräfteverhältnisse widerspiegeln, auch emanzipatorisches Aufbegehren, nicht nur Herrschaft, das kommt in Medianeras nicht vor. Zumal im Film die Stadt auch nur von mehr oder weniger neurotischen MittelschichtlerInnen bevölkert wird.

Kein Zufall, dass Martìn und Mariana parallel gezeigt werden, wie sie in ihren Schuhkartons alleine den Stadtneurotiker von Woody Allen schauen.  GASTON KIRSCHE

„Medianeras“ läuft Mo um 20 Uhr im Kino am Raschplatz in Hannover