SADISMUS MIT PLAN
: Heiß

Nun sind Verbote oft auch ein wenig Auslegungssache

Bisweilen macht mir die Gründlichkeit, mit der Menschen andere Menschen zur Schnecke machen, ein wenig Angst. Im Schwimmbad fast um die Ecke übernimmt diese Aufgabe, durchaus mit einer gewissen Hingabe, die Bademeisterin. „Der Junge mit der blauen Badehose, ja du da, gehst jetzt nach Hause. Los, ab, kannst dich bei Mutti ausheulen“, posaunt sie durch die Schwimmbadlautsprecher, so dass auch wirklich alle was davon haben.

Es ist Ferienzeit in Berlin und an heißen Tagen Hauptkampfzeit am Beckenrand, am Sprungturm und an der tollen Riesenrutsche mit den drei Kurven. Neben der Rutsche steht auf einem großen Verbotsschild, in Türkisch und in Deutsch, was man alles nicht darf, also eigentlich alles, und was man darf, also fast nichts, außer: im Sitzen rutschen.

Nun sind Verbote ja, der Junge mit der blauen Badehose hatte es begriffen, oft auch ein wenig Auslegungssache. Aber die Frau Bademeisterin interpretiert nicht, sondern hat einen Vier-Stufen-Plan, den sie mithilfe ihres Megaphons konsequent umsetzt: „Wir rutschen nicht auf dem Bauch!!“ – „Du da, kannst dich sofort umziehen gehen“ – „Ich hole gleich die Polizei, die schmeißt euch raus!“ – und schließlich, das ultimative, das Letzte: „Die Rutsche ist jetzt geschlossen!“ So.

Eis essend beobachte ich den Vollzug von Stufe zwei, da fragt mich plötzlich ein kleiner Junge, ob ich ihm fünf Euro für eine Wasserpistole geben kann. Ich bin noch ein wenig sprachlos, da steht schon die Mutter neben uns und keift, wie blöd das Kind sei: „Kapiert nix, ist total krank!“ Das schlägt wutentbrannt mit seinem Wassereis nach der Mutter, was ich an seiner Stelle wahrscheinlich auch tun würde. Die beiden ziehen, kämpfend, von dannen. Da ist mir die Bademeisterin doch lieber, denke ich. Deren Sadismus hat wenigstens Methode. ANNA KLOEPPER