SOMMERGRIPPE
: Krächzendes Lachen

Zieh ruhig was Hässliches an, sagt sie

Wir haben uns hier ganz gut eingerichtet, meine Sommergrippe und ich. Sie kam irgendwie mit dem Regen und ist dann einfach geblieben, inzwischen teilen wir uns das Bett. Morgens, wenn ich aufwache, gucke ich, ob sie noch da ist: klar. Ich mache uns einen Tee und hole die Zeitung aus dem Briefschlitz. Immer ich. Sie macht nie was.

Wir lesen zusammen die Zeitung, dann checke ich meine Mails. Sie kriegt nie welche. Hat sie nicht nötig. Mails sind ihr zu indirekt. Sie sagt einfach immer, was Sache ist, zack ins Gesicht. Das Gemeine ist, dass sie immer kriegt, was sie will. Blöde Schlampe. Ich drohe ihr gar nicht erst damit, zum Arzt zu gehen. Sie würde mich auslachen mit ihrem heiser krächzenden Lachen, ein unerträgliches Geräusch. Man sollte generell vermeiden, sie zum Lachen zu bringen. Man fühlt sich nur klein davon. Wenn ich duschen gehe, kommt sie mit. Sie findet das ganz normal. Ich dachte ja immer, ich wäre total locker mit solchen Dingen. Aber sie ist noch lockerer. Ich frage wenigstens, bevor ich mit zu jemandem in die Dusche komme. Hat ja auch was mit Intimsphäre zu tun. Während ich mich abtrockne, kitzelt sie mich an der Nase – sie muss sich nicht abtrocknen –, bis ich niesen muss. Findet sie witzig, haha.

Dann ziehe ich mich an. Sie sucht meine Klamotten raus. Zieh ruhig was Hässliches an, sagt sie, heute will dich eh keiner sehen. Okay, sage ich. Dann setze ich mich an den Schreibtisch und schreibe ihr ein Gedicht. Es geht so:

Sommergrippe, Miststück, verdammtes!

 Niemand wird dir helfen,

wenn ich dir sage, du sollst dich –

ja, genau, in deinen eigenen.

Sieh nur zu, wie du das hinbekommst.

Es wird schlecht um dich bestellt sein,

denn niemand wird dir beistehen,

du Opfer. MARGARETE STOKOWSKI