Umweltsünder: Klimaschutz

DOKU Ulrich Eichelmann zeigt in „Climate Crimes“, wie die„grüne“ Energiegewinnung auf Kosten von Naturräumen, Tierarten und Kulturschätzen durchgesetzt wird

Eichelmann ist der Inhalt wichtiger als die Form – und als provokante, filmische Streitschrift überzeugt „Climate Crimes“

VON WILFRIED HIPPEN

Nein, ein um Ausgewogenheit und einen auch nur ansatzweise objektiven Standpunkt bemühter Filmemacher ist Ulrich Eichelmann ganz sicher nicht. Stattdessen sagt er einmal direkt in die Kamera, ihm würde sich bei bestimmten Argumenten der Gegenseite „der Magen umdrehen“. Für den Naturschützer ist diese Dokumentation eindeutig ein Mittel, mit dem er umweltpolitisch Einfluss nehmen will. Genau genommen hat auch nicht er „Climate Crimes“ gedreht, sondern mit einem Team von Filmemachern aus Wien und Innsbruck zusammengearbeitet, zu denen die Regisseure Christoph Walder und Thomas Woschitz sowie der Drehbuchautor Christian Lerch gehören.

Doch Eichelmann ist eindeutig nicht nur der Protagonist, sondern auch der Kopf hinter der Dokumentation, und weil er nie versucht, dies zu kaschieren, ist „Climate Crimes“ eine wirkungsvolle Polemik geworden. Die titelgebenden „Klima-Verbrechen“ (der Film soll auch international verbreitet werden und außerdem klingt der englische Titel schnittiger) sind nicht etwa jene inzwischen oft benannten Umweltsünden, die zum Klimawandel geführt haben, sondern hier geht es um Gegenstrategien, durch die vermeintlich „saubere“ Energie erzeugt werden soll. Eichelmann zeigt, wie im Namen des Klimaschutzes Großprojekte durchgesetzt werden, durch die die Umwelt eindeutig mehr geschädigt als geschützt wird. Die erneuerbaren Energien, die von vielen als die Heilmittel für die Klimakrise propagiert werden, sind für ihn längst nicht so „sauber“ und „nachhaltig“, wie Regierungen und Energiekonzerne argumentieren. Eichelmanns Gegenrechnung ist beängstigend schlüssig. Zwei Jahre lang hat er recherchiert und ist mit dem Filmteam zu einigen exemplarischen und besonders prekären Projekten gereist.

Im Amazonasgebiet von Brasilien ist in den nächsten Jahren der Bau von 60 Staudämmen geplant, durch die Strom gewonnen werden soll. Einer der größten davon ist der Belo-Monte-Damm am Xingu-Fluss, der Regenwald auf einer Fläche von der Größe des Bodensees überschwemmen würde. Dies ist der ursprüngliche Lebensraum von vielen nur dort lebenden Tieren. So wären allein 200 Fischarten bedroht und die sehr seltenen Amazonasschildkröten würden durch den Damm ihre Brutstätten verlieren. Zudem sind in dieser Region viele der Indianerstämme beheimatet, die bis jetzt ihre eigene, ursprüngliche Kultur bewahrt haben und deren sicheres Ende die erzwungene Umsiedlung aus dieser Region wäre. Bisher haben sie sich gegen ähnliche Projekte wehren können, doch die neue Energiepolitik von Brasilien schwächt ihre Position erheblich. Eichelmann hat den dort lebenden katholischen Bischof und Träger des alternativen Nobelpreises Erwin Kräutler befragt, und dieser nennt das Staudammprojekt den „Todesstoß“ für den Urwald im Amazonas.

In der Türkei wird bereits an einem gigantischen Wasserkraftwerk gearbeitet, für das der Tigris gestaut werden soll. Dadurch ist Hasankeyf, eine der ältesten Städte Anatoliens bedroht, in der es berühmte Höhlensiedlungen aus dem vierten Jahrhundert gibt. Unter den Künstlern und Intellektuellen der Türkei hat sich eine breite Front gegen diese Vernichtung dieses Kulturerbes gebildet, doch Eichelmann gibt einen beängstigenden Eindruck von der Macht des Faktischen, wenn er auf einer Baustelle des Projekts eine der riesigen Tunnelröhren zeigt, durch die das Flusswasser umgeleitet werden soll.

Durch das Stauen des Tigris würden auch im Irak die Landschaften verändert, und die gerade renaturierten mesopotamischen Sümpfe bei Basra diesmal endgültig trockengelegt. Dieses Feuchtbiotop ist der Lebensraum der Marscharaber, die in aus Schilf geflochtenen Hütten wohnen und ihre uralte, heute noch funktionierende Kultur lebendig erhalten. Hier soll das biblische Paradies gewesen sein und so ist Eichelmanns Pathos wirkungsvoll und angemessen, wenn er sagt: „Noch gibt es den Garten Eden.“

In Indonesien wird ebenfalls Regenwald vernichtet, hier aber zur Gewinnung einer anderen, vermeintlich nachhaltigen Energiequelle. Auf der Insel Borneo werden riesige Urwaldflächen gerodet, damit dort Palmölplantagen angelegt werden können, die für die Produktion von Biodiesel sehr profitabel sind. Die brutalsten Bilder des Films zeigen einige der seltenen Orang Utans, die durch die Abholzungen ihren Lebensraum verloren haben, in der neu entstandenen Ödnis umherirren und zugrunde gehen.

Auch in Norddeutschland hat Eichelmann Beispiele für den Frevel an der Natur im Namen des Klimaschutzes gefunden. Dabei sehen die Aufnahmen von Landschaften mit Maisfeldern, die in alle Richtungen bis zum Horizont reichen, aus, als wären sie im „corn belt“ der USA gedreht worden. Doch inzwischen gibt es auch etwa in der Brandenburger Schorfheide extreme Monokulturen, die sich deshalb für die Bauern rechnen, weil diese von Biogasproduzenten hohe und sichere, weil subventionierte Preise für den Mais bekommen. Eichelmann nennt die riesigen Felder „ökologische Wüsten“, weil viele Vogelarten, Feldhasen und andere Tiere inzwischen aus diesen Gebieten verschwunden sind und Bauern, die andere Pflanzen anbauen wollen oder Milch produzieren, die hohe Pacht für Anbauflächen nicht mehr zahlen können, so dass auch hier eine traditionell gewachsene Kultur vernichtet werden.

Die 54 Minuten des Films sind vollgestopft mit Informationen. Eine auch ästhetisch gelungene Dokumentation hätte dem Zuschauer ein paar Ruhepunkte gegönnt und einzelne Bilder mehr wirken lassen – hier wurde sehr schnell, fast hektisch geschnitten und man kann auch kaum eine stilistische Handschrift erkennen. Doch Eichelmann ist eindeutig der Inhalt wichtiger als die Form, und als eine provokante, filmische Streitschrift überzeugt „Climate Crimes“. Eichelmann geht in diesen Tagen selber mit seinem Film auf Reisen, am 23. 1. war er im Hamburger Abaton zu Gast, heute Abend stellt er ihn zusammen mit dem Ökonomen Nico Paech im City 46 in Bremen vor. Die DVD kann über riverwatch.eu bestellt werden.