Verständnis fürs Verbot

INDIZIERT 1981 wurde der schwedische Film „Barnens Ö“ ausgezeichnet, heute gilt er in Australien als Kinderpornografie

Bester Film des Jahres, beste Regie und bester männlicher Hauptdarsteller: 1981 holte „Barnens Ö“ gleich drei Guldbagge, das ist der angesehenste schwedische Filmpreis. Nun steht „Die Insel der Kinder“ oder „Heimliche Ausflüge“ – so die deutschen Kinotitel – in Australien auf dem Index. Kinderpornografie, urteilt die dortige Filmklassifizierungsbehörde Classification Review Board. Sie verweigerte dem Film, der 1981 auch auf der Berlinale lief, jetzt jegliche Altersfreigabe, was einem Aufführungsverbot gleichkommt. In Schweden war der Film ab elf Jahren freigegeben worden.

Elf Jahre alt ist auch der von Tomas Fryk gespielte Protagonist. Eine weniger als eine Minute lange Onaniesequenz, in der drei Sekunden lang auch sein erigiertes Geschlechtsteil in Nahaufnahme sichtbar ist, wird als Grund für die Zensur genannt. „Obwohl die Szene relevant für die Geschichte und von kurzer Dauer ist, handelt es sich tatsächlich um die sexuelle Aktivität eines Minderjährigen und wird nicht durch den Zusammenhang gerechtfertigt“, urteilt die Prüfungskommission des Ausschusses. Die jetzige Klassifizierung bedeutet, dass jeder, der in Australien diesen Film vertreibt, eine Geldbuße von umgerechnet 180.000 Euro und bis zu zehn Jahre Haft riskiert.

Die Kommission war auf Veranlassung der Polizei tätig geworden. Die hatte bei Razzien gegen Pädophilie den Film gefunden, war zunächst von einer illegalen Einfuhr ausgegangen und musste dann feststellen, dass „Barnens Ö“ seinerzeit in Australien eine Altersfreigabe ab 18 Jahren erhalten hatte und damit ohne Änderung dieser Klassifizierung nicht beschlagnahmt werden konnte.

Als „Überreaktion“ bezeichnet Chris Berg, ein Forscher am Institute of Public Affairs, in der Tageszeitung Sydney Morning Herald diese schon im Herbst gefällte, aber erst jetzt öffentlich gewordene Entscheidung (www. smh.com.au/entertainment/ movies/australia-bans- awardwinning-swedish-film-childrens- island-over-child-porn-concerns-20140227-33lxx.html). Kay Pollak, der Regisseur des Films, kritisiert sie dagegen nicht. Er habe „Verständnis dafür angesichts dessen, was wir heute wissen“, erklärte er gegenüber der schwedischen Nachrichtenagentur TT: „Wir waren uns des Pädophilieproblems nicht so sehr bewusst.“ Ob er den Film heute anders drehen würde? „Ja, absolut“, sagt der 75-Jährige, der gerade an einer Fortsetzung seines Kassenerfolgs „Wie im Himmel“ arbeitet: „Wenn er heute gezeigt würde, würde ich einen Teil schneiden.“ Darunter die fragliche Nahaufnahme.

REINHARD WOLFF