Erst einmal betrinkt er sich

KINO Eine begüterte Familie gewinnt im Lotto. Was dann passiert, davon erzählt Fabian Möhrkes Spielfilmdebüt „Millionen“

Torsten kauft das schrecklich architekturwettbewerbsmäßige Haus, das er sich mit seiner Frau angesehen hat, und weiß nicht, wie der Ceranherd zu bedienen ist

Torsten (Andreas Döhler) ist ein netter, entspannter, eher ruhiger Typ Ende 30, der im „Tatort“ einen netten Kommissar spielen könnte; ein schon leicht knuddeliger, aber immer noch sportlicher Mann mit dem Herzen auf dem rechten Fleck. Tagsüber sitzt er im Büro. Seine Arbeit hat wohl etwas mit Immobilien zu tun. Vielleicht auch mit Windrädern. Oft ist die Rede davon, dieses oder jenes Gebiet zu erschließen.

Abends spielt Torsten Fußball, danach kuschelt er mit seiner Frau Susanne auf dem Sofa und guckt schön fern. Zu seinem pubertierenden Sohn sagt er Sachen wie „Lass dich mal drücken“. Doch der will nicht.

Die Familie lebt irgendwo in der Provinz und ist wohlhabend. Sie überlegen sich, ein allein stehendes Haus auf dem Land zu kaufen.

Dann kommt der Wendepunkt: Torsten hat den Jackpot im Lotto geknackt: 20 Millionen. „Ach du Scheiße.“ Er ist eher schockiert als begeistert, geht sich erst einmal betrinken; rauchend scheint er kurz zu überlegen, ob er den Wettschein nicht besser verbrennen soll.

Schlechte Laune

Mit dem Lottogewinn geht alles, wie zu erwarten war, bergab. Schlechte Laune rules. Der Freund fragt: „Ist was mit Susanne? Fickt ihr nicht mehr?“ Torsten antwortet traurig: „Ich hab im Lotto gewonnen.“

Man sieht ihn mit Frau und Kind über den Lottogewinn beratschlagen. Sie träumt davon, einen schicken Kindermodeladen in Berlin-Prenzlauer Berg aufzumachen. Er würde gerne einen Porsche kaufen. Der Sohn würde gerne mehr Taschengeld bekommen. Er versteht ihre Wünsche nicht. Dem Sohn wird eingeschärft, ja nichts von dem Gewinn zu erzählen. Natürlich erzählt er’s weiter, und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Die Fußballfreunde wissen, dass Torsten gewonnen hat, er streitet es ab. Man sieht, wie das Paar einen Laden in Berlin besichtigt. Die Einrichtungsideen der Frau sind auf eine stereotype Weise arty-farty. Torsten kauft seinen Porsche, übt auf einem Parkplatz driften und muss kotzen. Er kauft das schrecklich architekturwettbewerbsmäßige Haus, das er sich mit seiner Frau eingangs angesehen hat, und weiß dann nicht so recht, wie der Ceranherd zu bedienen ist.

Das viele Geld sorgt nur für Spannungen: Im Büro entzieht der Chef Torsten wichtige Aufgaben, weil er nicht weiß, ob der Lottogewinner nicht plötzlich kündigt; seine Frau wirft ihm vor, dass ihm nichts anderes einfällt, als einen Porsche zu kaufen. Die besten Freunde wollen mit der Million, die er ihnen schenkt, nach Frankreich auswandern.

Sein altes Leben war schön; von dem neuen Leben als Millionär möchte Torsten nichts wissen.

Fabian Möhrkes Langspielfilmdebüt „Millionen“ ist behutsam, still beobachtend inszeniert und angenehm anzuschauen. Vielleicht liegt es am Fehlen von Kontrasten – der Lottogewinner ist ja schon wohlhabend –, vielleicht daran, dass nichts Überraschendes passiert, oder daran, dass begüterte Kleinfamilien in der Provinz immer irgendwie deprimierend wirken, jedenfalls sieht man den Film mit einer gewissen Teilnahmslosigkeit an wie einen schön inszenierten „Tatort“ ohne Spannungsmomente. DETLEF KUHLBRODT

■ „Millionen“. Regie: Fabian Möhrke. Mit Andreas Döhler, Carola Sigg u. a. Deutschland 2013, 85 Min.