She likes to move it

COLLAGISTIN Theresa Stroetges betreibt eine Ein-Frau-Band namens Golden Diskó Ship – Ihr neues Album „Invisible Bonfire“ blubbert und groovt nicht nur, sondern rockt auch hier und da

(Fast) alles manuell: Stroetges sagt, dass sie „als einzige Berlinerin keine Loop-Maschine benutzt“

Man weiß manchmal nicht so recht, wo Theresa Stroetges das eigentlich plötzlich hernimmt. Gerade war man angenehm abgeschweift, hatte es sich in einer leicht wattierten musikalischen Parallelwelt gemütlich gemacht, das Universum war ein annehmlicher Ort geworden, in dem es elektronisch vor sich hin waberte, pochte und knurpste, da kommt sie plötzlich mit einer Blues- oder Country-Tonfolge auf der Gitarre um die Ecke, als wolle sie einem sagen: Du glaubst doch wohl nicht, dass das schon alles war!

Nein, das war noch nicht alles. Denn ehe man sich versieht, landet Stroetges schon den nächsten überraschenden Move. Mit ihrer Ein-Frau-Band Golden Diskó Ship hat die in Berlin lebende Musikerin jüngst ihr zweites Soloalbum „Invisible Bonfire“ veröffentlicht, auf dem sie es zum einen versteht, ganz verschiedene Stile und Genres miteinander zu verbinden, und zum anderen, Kompositionen 180-Grad-Wenden zu verpassen, ohne dass sie auseinanderfallen.

Auf „Invisible Bonfire“ treffen Ambient und Electronica aufeinander, das Album hat Indie- und Folkanteile, genauso mischt sich etwas Fuzz-Sound oder Shoegazer dazwischen. Das Ganze klingt dann teils ziemlich spacig (sagt man das heute noch?): Im Song „Little Stream“ zum Beispiel blubbert und fiept es, als überlagerten sich zig Frequenzen, ehe einem eine schlichte Rockgitarre wieder Halt gibt. Spannungsbögen werden erzeugt – sie entladen sich, wie in „Snowflake Helicopter“, am Ende des Songs, oft in wenigen smarten Zeilen: „I had no idea / what was happening at home / in the meantime“.

Man hört deutlich, dass Stroetges sich nicht erst seit gestern und nicht nur autodidaktisch mit Musik beschäftigt: Die gebürtige Viersenerin, Jahrgang 1982, hat ein Studium der Neuen Musik und Popular Music hinter sich und macht derzeit einen Master in Sound Studies. Neben Golden Diskó Ship kuratiert sie Klanginstallationen und Performances, ist zudem noch Teil eines Improvisationstrios (Epiphany Now).

Gleich das Auftaktstück ihres knapp 50-minütigen Albums, „These thoughts will never take shape“, ist ein gutes Beispiel für Stroetges’ Praxis der Drehs und Kniffe: Erst pocht es nur rhythmisch vor sich hin, und sie singt darüber, dann folgt eine sphärische, verlangsamende Klangfläche, ehe alsbald das Grundthema des Songs wieder aufgegriffen wird. Sehr viele verschiedene Elemente in nur einem Song, der sorgsam collagiert wirkt. Das alles ist handmade: Stroetges sagte mal, dass sie in der Musikszene „als einzige Berlinerin keine Loop-Maschine benutzt“.

Inspirieren lassen hat sie sich dabei von einem Aufenthalt in Island, wo sie ein Jahr lebte. „Say goodbye to this island – over and out“ heißen nicht nur die schmachtend dahingehauchten Zeilen, die sie dem Land nun widmet, sondern auch der gleichnamige Song. Björk zählt zu ihren Lieblingsmusikerinnen – die Art und Weise des Ausdruck, des Gesangs mag hier und da auch an die Avantgarde-Popikone erinnern. Ansonsten ist Golden Diskó Ship aber so vielschichtig und eigenständig – erinnert dies gerade an PJ Harvey, jenes an Chris Isaak? –, dass es schwer ist, klare Referenzen zu benennen.

Die acht Stücke sind experimentelle Musik ohne Experiment zu bleiben. Es gibt immer wieder Seitenstränge und Exkurse auf „Invisible Bonfire“, aber es zieht sich ein Faden durch ihr Werk. Sogar sorgsam versteckte Hooklines finden sich hier und da – ein Mitsummfaktor stellt sich dadurch garantiert dennoch nicht ein. Bevor es so weit käme, würde Theresa Stroetges bestimmt mit einem überraschenden Move aufwarten. JENS UTHOFF

■ Golden Diskó Ship, „Invisible Bonfire“ (Spezialmaterial Records) | live: Berlin-Prenzlauer Berg, Ausland, 17. Januar, 21 Uhr