Die iranische Mauer

REAKTION Jafar Panahis Film „Taxi“ hat den Goldenen Bären der Berlinale gewonnen. In Teheran freuen sich darüber allerdings nur wenige

Der Kinobeauftragte des Kulturministeriums warf Kosslik vor, den Iran nur über Panahis Filme zu zeigen

Die Auszeichnung des iranischen Filmemachers Jafar Panahis bei der diesjährigen Berlinale mit dem Goldenen Bären erfüllte viele Iraner mit Stolz. Vor allem Kritiker des islamischen Regimes sehen darin ein Indiz dafür, dass die iranische Kunst und Kultur trotz rigoroser Zensur und erheblichen Einschränkungen der Meinungsfreiheit doch zur Geltung kommen und internationale Anerkennung finden kann.

Panahi war im Dezember 2010 zu sechs Jahren Haft und einem 20-jährigen Berufsverbot verurteilt worden, weil er einen Film über die Proteste von 2009 gegen die Wiederwahl des damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad geplant hatte. Doch das Urteil wurde nicht vollständig vollstreckt. Panahi befindet sich nicht in Haft. Er hat seit dem Urteil auch mehrere Filme produziert, die im Ausland gezeigt wurden. Er selbst kann aber aufgrund eines Reiseverbots nicht das Land verlassen.

Von offizieller Seite wurde die Preisverleihung scharf kritisiert. Hossein Nuschabadi, Sprecher des Ministeriums für Kultur und Islamische Führung, sagte: „Seit einigen Jahren sind wir bei diesem Filmfestival (Berlinale) Zeuge von politisch motivierten Entscheidungen gegen die Islamische Republik und die Auswahl von Filmen, die unsere Staatsordnung schwarzmalen.“ Panahis Filme seien nicht gesellschaftskritisch. Aus ihnen sei eine irrationale „Feindschaft“ zu spüren.

Nuschabadi forderte, Filmemacher, die, aus welchem Grund auch immer, im Iran mit Problemen konfrontiert seien, sollten nicht „Wasser auf die Mühlen der Feinde der islamischen Staatsordnung gießen“ und „für den eigenen Ruhm, die kulturellen und religiösen Werte ihres Landes preisgeben“.

Bereits vor der Preisvergabe hatte Hodschatollah Ayubi, zuständig für das iranische Kino, in einem Brief an den Leiter der Berlinale, Dieter Kosslik, kritisiert, dass Panahis Film „Taxi“ in den Wettbewerb aufgenommen wurde. „Es ist höchst bedauerlich, dass Sie einen Filmemacher, der aufgrund bestehender Gesetze in seinem Land zurzeit keine Filme produzieren darf (obwohl er es doch tut), instrumentalisieren, um alle in ein Taxi mitzunehmen, das mit neuen Missdeutungen über Iran vollgepackt ist“, schrieb Ayubi. Der Produzent von „Taxi“ kümmere sich, im Gegensatz zu den Behauptungen auf dem Festival, nur um seinen eigenen Vorteil. Er genieße alle Vorzüge eines freien Lebens. „Die Berlinale stand mal für Kultur und Kunst, jetzt aber hören wir immer wieder die lauten Schritte der Politik.“

Der Kinobeauftragte des iranischen Kulturministeriums warf Dieter Kosslik vor, den Iran nur über Panahis Filme zu präsentieren. Damit würden lauter „Missverständnisse über das iranische Volk“ verbreitet. „Mit den Bauklötzen, die Sie durch die Auswahl der Filme aufeinanderlegen, errichten Sie eine neue Mauer um die Berlinale, die höher sein könnte als die Chinesische Mauer“, schrieb Ayubi. „Doch Kultur und das Kino sollten dazu dienen, die Mauern abzureißen.“

Die ultrakonservative Tagezeitung Kayan titelte: „Goldener Bär für den Anti-Iraner Jafar Panahi“. Die Nachrichtenagentur Tasnim bezeichnete die Preisverleihung als „Höhepunkt der politischen Spielereien für die Berlinale“. Und das Nachrichtenportal Maschregh deutete die Auszeichnung als ein „politisches Signal gegen Iran“.

Die Kritik an der Auszeichnung für „Taxi“ kam aber nicht allein aus konservativen Kreisen. Auch unter Oppositionellen in Teheran wurden Fragen diskutiert, die im Zusammenhang mit Panahis Film auftauchten. Wäre „Taxi“ tatsächlich ungeachtet der Lebensumstände des Produzenten, allein aufgrund seiner Qualität mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet worden?, fragte man sich.

Inwieweit hätten bei der Auswahl politische Erwägungen eine Rolle gespielt? Unbeantwortet blieb auch die Frage, wie es möglich ist, dass Panahi trotz des 20-jährigen Berufsverbots und 6-jähriger Gefängnisstrafe, sich frei bewegen, Filme produzieren und sie ins Ausland schicken kann, ohne dafür von der Justiz belangt zu werden.

Panahi selbst nahm in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Ilna zu einigen Kritikpunkten Stellung. Mit Blick auf das Schreiben Ayubis an Kosslik sagte er: „Die Verantwortlichen reden immer von einer politischen Mauer im Ausland, obwohl sie erst mal die Mauern, die sie selbst errichtet haben, abschaffen sollten. […] Wir hören in unserem eigenen Land seit Jahrzehnten die lauten Schritte der Politik, die sich in Kunst und Kultur einmischt.“ Es sei absurd, wenn Ayubi eine Trennung zwischen Kunst und Politik fordere.

Gegen den Vorwurf, er habe seinen Ruhm im Westen als Filmemacher eher mit seiner politischen Lage erkauft, sagte Panahi. „Jeder Filmemacher will, dass sein Film erst zu Hause gezeigt wird.“ Er habe dem Kulturministerium angeboten, seinen Film „Taxi“ in das Programm des Teheraner Fadschr-Festivals aufzunehmen, das ebenso im Februar stattfand. Doch die Behörden hätten nach einer Bedenkzeit sich nicht mehr gemeldet. Wenn sie den Film aufgenommen hätten, hätte er ihn aus dem Wettbewerb der Berlinale zurückgezogen. Bahman Nirumand