Rugby-WM: Ihr Blut ist grün

Zu Kolonialzeiten waren Südafrikaner und Engländer politische Rivalen, am Samstag sind sie Rivalen auf dem Rugby-Feld. Natürlich wollen Südafrikas Springböcke gewinnen.

Nichts für Weicheier:Titelverteidiger England trifft auf Südafrika, die zuletzt 1995 den Weltmeistertitel holten. Bild: dpa

Am Samstag findet das Finale der Rugby-Weltmeisterschaft in Paris statt. Das Deutsche Sport-Fernsehen (DSF) überträgt die Partie zwischen Südafrika und England ab 20.55 Uhr live. Es handelt sich um das Championat im Fünfzehner-Rugy, dem üblichen Spiel. Daneben wird auch mit sieben Mann pro Team gespielt. Mit dieser Variante will man an Olympischen Spielen teilnehmen, hat es aber noch nicht ins Programm geschafft, obgleich IOC-Chef Jacques Rogge früher Rugby gespielt hat.

Die WM gilt mit zweieinhalb Millionen Zuschauern in den Stadien und einer Milliarde an den Fernsehern als das größte Sportereignis des Jahres. Entsprechend überschwänglich wird das Spektakel in den Zeitungen gefeiert. Ein Reporter schreibt über die flinken Außenstürmer: "Sie flattern um die Füße der großen Männer wie Vögel um eine Herde Elefanten." Die FAZ schwärmt: "Rugby liefert Typen, die in einer künstlichen Werbe- und Medienrealität kostbar authentisch wirken: echte Kerle mit echten Schrammen, mit Blumenkohlohren, Plattnasen, wulstigen Augenbrauen. Es ist die ehrliche Ästhetik jener Deformationen, die das Leben schafft."

1823 gilt als das Entstehungsjahr des Rugby. Damals, so heißt es auf einem Gedenkstein in der Ortschaft Rugby, habe der Schüler William Webb Ellis den Sport "erschaffen", weil er regelwidrig mit dem Ball in den Händen losrannte. Die Gegner des händischen Spiels gründeten 1863 die Football Association (FA), die Rugby-Freunde zogen acht Jahre später mit ihrem Verband nach. Das Spiel mit dem Rotationsellipsoid schaffte es 1900, 1908, 1920, und 1924 zu den Olympischen Spielen. TAZ

In Südafrika steigt die Nervosität vor dem Endspiel der Springböcke gegen England. In den Bars und Kneipen sind Sitzplätze reserviert, um das Finale der Rugby-Weltmeisterschaft in Paris am anderen Ende der Welt live mitzuerleben. Bierkästen sind eingelagert. Befürchtungen der Rugby-Freunde, eine Versorgungsnot könnte eintreten, sind unnötig. Und die Zahl der Optimisten, die einen südafrikanischen Rugby-Weltmeister erwarten, wächst stündlich.

Südafrika ist eine sportbegeisterte Nation. Sieger werden nicht nur in den Stadien gefeiert, wenn Anhänger die Kuhhörner blasen und lautstark lärmen. Auf den Straßen kommt es zum Verkehrsstau, Feuerwerke gehen in die Luft. Besonders heftig ging es im Jahr 1995 zu: Das Rugby-Team, die Springböcke, gewannen die Weltmeisterschaft im eigenen Land - ein Jahr nach der politischen Unabhängigkeit. Als damals Präsident Nelson Mandela das Trikot mit der Nummer 6 von Mannschaftskapitän Francois Pienaar, einem weißen Afrikaner, überstreifte und beide sich in die Arme fielen, kannte der Jubel bei allen Südafrikanern keine Grenzen. Die spontane Geste galt als Symbol der Versöhnung der Rassen, denn auch das Rugby-Team war für die Mehrheit der unterdrückten Südafrikaner mit dem weißen Apartheidregime verknüpft. Doch in diesem Augenblick waren 400 Jahre Kolonialismus vergessen.

Rugby, ursprünglich gespielt von den Eliten in kolonialen Kreisen, war für die Schwarzen ein Sport des weißen Mannes. Die Buren, die weißen Afrikaner, beherrschten das Spiel. Es war für viele ein Ausdruck ihrer Macht, die sich im rauen Spiel widerspiegelte. Und es war gleichzeitig ein Statement gegen alte politische Rivalen in Südafrika: die Briten. Ausgerechnet gegen die muss das südafrikanische Team am Samstag antreten.

Der Weg zum Finale wurde für die Böcke dadurch erleichtert, dass die Top-Mannschaften Australien und Neuseeland schon im Viertelfinale ausschieden. "Das wird nie wieder in einer Weltmeisterschaft passieren, dass die beiden besten Mannschaften nicht das Halbfinale erreichen", sagte Jake White, der die Böcke seit 2004 trainiert. "Aber wenn man Weltmeister wird, ist es egal, gegen wen man gespielt hat." White ist angeblich nicht besorgt über die Tatsache, dass England mehr Erfahrung in Weltmeisterschaftsspielen hat als Südafrika. "Wir haben erfahrene Leute wie Victor Matfield, John Smit und Juan Smith, die im Super 14 und Currie-Cup-Finale als Kapitäne die Mannschaft leiteten. "Sie werden wissen, was zu den anderen zu sagen ist."

Die Erfolge der Springböcke hielten lange an, doch die Isolation der Sportler während der Apartheid hatte auch der Rugby-Mannschaft geschadet. Die Springböcke spielten zwar auch während der Apartheid unter oft massiven Protesten in einigen Ländern, doch erst als der Sport-Bann 1992 aufgehoben wurde, ging es voran. Zunächst wurde über den Namen des Teams diskutiert, denn die neue Regierung Südafrikas hatte 1994 versucht, den Beinamen Springböcke zu ändern und durch die Nationalblume "Protea" zu ersetzen. Damit sollten ungute Gefühle, die mit dem Namen "Springbocks" aufkamen, vermieden werden. Doch Nelson Mandela griff ein, und "die Springböcke" nahmen an der ersten Weltmeisterschaft 1995 teil - und erhielten erstaunliche Unterstützung aus allen südafrikanischen Lagern, schwarz und weiß. Die Bildung der jungen Nation, die im Siegestaumel gefeiert wurde, war ein Stück vorwärtsgekommen. Allerdings war im Jahr des Triumphs nur ein farbiger Spieler auf dem Feld. Zwölf Jahre später sind es zwei, JP Pietersen und Bryan Habana. Es läuft nichtsdestotrotz eine Debatte, den Rugby-Sport in Südafrika noch stärker zu öffnen und die "Amabokoboko" - wie die Springböcke auf Xhosa, der Sprache Nelson Mandelas heißen - auf allen Ebenen besser zu unterstützen, so dass mehr schwarze Spieler nachrücken können.

White, der häufig für Entscheidungen und Spielerauswahl kritisiert wurde, gibt sich am Vorabend des Endspiels gelassen. Er erhält Unterstützung aus der Heimat. Präsident Thabo Mbeki fliegt nach Paris, um den Böcken Mut zuzusprechen.

Nelson Mandela kann aus Altersgründen nicht mitfliegen, hieß es aus seinem Büro. Aber er sandte eine Videobotschaft an die Mannschaft: "Wir sind eine siegreiche Nation, bringt den Cup wieder nach Hause." Ganz Südafrika fiebert, selbst Nachrichtensprecher und Parlamentarier aller Hautfarben halten ihre Ansprachen in grünen Springbock-Shirts mit dem Slogan: "Our blood is green".

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