Der Macher der Tour de France: Nicht der gute Pfadfinder aus Paris

Er gehört nicht zur Familie, denn er hat nie im Rennsattel gestrampelt. Aber seit 2 Jahren hat Christian Prudhomme bei der Frankreich-Tour das Sagen. Was will er dort?

Brav und harmlos? Tour-Chef Christian Prudhomme Bild: REUTERS

BREST taz Es wirkt immer ein wenig komisch, wenn Christian Prudhomme versucht, martialisch aufzutreten. So wie im vergangenen Jahr, als er in den großen Saal des Kongresszentrums im Pyrenäenort Pau trat und wutschnaubend den etwa 200 versammelten Tour-de-France-Reportern berichtete, dass er gerade das Skandal-Team Astana nach Hause geschickt habe. Von nichts und niemandem, donnerte er vom Podium herab, werde er sich seine Veranstaltung kaputtmachen lassen und er werde sie bis aufs Messer gegen die Doper und Betrüger verteidigen. Dabei glühten seine abstehenden Ohren wie die eines etwas streberhaften Sextaners, den man so lange gehänselt hat, bis ihm endlich der Kragen platzt.

Der 47 Jahre alte gelernte Sportjournalist aus Paris, der seit zwei Jahren dem größten Radrennen der Welt vorsteht, wirkt im hartgesottenen Macho-Umfeld des Berufsradsports bisweilen wie ein kleiner Junge, der sich in eine Matrosenkneipe verirrt hat. Das liegt aber nicht nur an seinen weichen Gesichtszügen, an dem stets akkurat gezogenen Seitenscheitel und an den Bügelfalten in seinen khakifarbenen Segeltuchhosen. Es liegt auch daran, dass Prudhomme tatsächlich ein Außenseiter ist in diesem Geschäft. Er ist nie selbst Rennen gefahren, er hat nicht die Initiationsriten durchlaufen, die man vorweisen muss, um zur Familie zu gehören. Prudhomme ist Akademiker und professioneller Sportmanager, kein Arbeitersohn, der sich im Rennsattel nach oben gestrampelt hat.

Prudhomme weiß, dass er eigentlich ein Fremdkörper in der verschworenen Radsportwelt ist - er kultiviert diese Rolle. Wenn er von seiner Tour de France spricht, dann tut er das niemals lakonisch, wie einer, der sie schon zehnmal gefahren ist und den nichts mehr aus der Fassung bringt. Stattdessen gibt sich Prudhomme auch als Fan zu erkennen. Eines seiner Lieblingsthemen ist die Romantik der Tour.

Als er vor zwei Jahren die Nachfolge des langjährigen Tour-Chefs Jean-Marie Leblanc antrat, gab seine Stellung als Außenseiter Anlass zur Hoffnung. Prudhomme würde endlich das tun, wovor seine Vorgänger sich gedrückt hatten. Zumindest scheut er sich nicht davor, alte Loyalitäten und ungeschriebene Stillhalteabkommen zu missachten, um gegen Doping vorzugehen. So legte er sich massiv mit dem Radsportverband UCI unter Vorsitz des irischen Ex-Profis Pat McQuaid an, um selbst bestimmen zu können, wer bei der Tour mitfährt und wer nicht.

Prudhommes Gegner bezweifeln allerdings, dass es dem guten Pfadfinder aus Paris wirklich nur um ehrlichen Sport geht. Man glaubt vielmehr, dass Prudhomme die Dopingkrise des Radsports dazu nutzen will, die Macht seiner Organisation Amaury Sports auszuweiten. Wenn sich Amaury aus dem Korsett der Verbandsregulierung befreien könnte, würden sich für diese Rennserie ganz neue Vermarktungsmöglichkeiten auftun. Eine autonome kommerzielle Radsportorganisation könnte, mit der ungebrochenen wirtschaftlichen Macht der Tour im Rücken, den kompletten Sport an sich reißen, ihn mediengerecht durchstylen und für Sponsoren ein hochwertiges neues Paket nach Vorbild etwa der Formel 1 schnüren.

Wenn Prudhomme am Samstag im Bretagneort Brest aus dem offenen Dach seines Fahrzeugs die Startfahne zur 95. Tour schwenkt, dann tut ers als stolzer Souverän. Es ist ein Etappensieg auf seinem Kurs hin zur Hegemonie über den Radsport. So brav und harmlos, wie er auf den ersten Blick wirkt, ist er beileibe nicht. SEBASTIAN MOLL

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