Bouncing: Hüpfen in Siebenmeilenstiefeln

Der heutige Siebenmeilenstiefel hat Fiberglas-Federn und wer darin läuft, nennt sich Bouncer. Bis zu 35 Stundenkilometer erreicht man damit, schont Knie und Rücken und entflieht dem Wettkampfgehabe.

Sieht nach Prothetik aus, macht aber Freude: das Bouncen. Bild: Ulrike Schmidt

Wenn sich Hamburg nur mal ein bisschen anstrengt, dann kriegt sogar diese Stadt einen blauen Himmel hin. Und Sonne. So viel Sonne, dass die Frauen auf den Alsterwiesen wenig, und Männer aus St. Georg dreiviertellange Hosen anhaben. Die machen einen strammen Hintern, auf den sie sich Klapse geben.

Am Schwanenwik, zwischen Wiese und Wasser, da sind die Bouncer, immer sonntags so gegen 11.30 Uhr. Und bouncen. Sie treffen sich gegen 11 Uhr vor dem Laden Mundsburger Damm 29. Da kommen diejenigen hin, die sich Siebenmeilenstiefel ausleihen wollen, und diejenigen, die schon welche gekauft haben. Für 339 Euro, über den Daumen. Und dann bouncen sie gemeinsam rüber zur Alster, machen da ein bisschen rum, und dann geht es von dort weiter in die Stadt oder die Hafencity.

Die Füße eines Bouncers stecken in Snowboard-Sicherungen, an den Knien ist die Konstruktion fixiert, die wie die Ellenbogen durch Protektoren geschützt sind. Manche tragen Helm, denn es kommt schon mal vor, dass sich einer hinlegt. Kernstück des Ganzen sind die Federn aus Fiberglas, auf die mittels Körpergewicht Druck ausgeübt wird. Die Feder wird zusammen gepresst und erzeugt, wenn sie sich wieder entspannt, einen Impuls, den der Bouncer in Hüpfen oder Laufen umsetzen kann. Still stehen geht nicht, da liegt Bouncen voll im Trend.

"Man kann", weiß Niklas Dziobek, 23, Sportstudent, "so etwa zwei Meter hoch springen und vier, fünf Meter weit." Bei dem Versuch festzustellen, wie schnell sie denn nun sind, sollen Bouncer von Radarkontrollen mit 30 Stundenkilometern geblitzt worden sein. Für kurze Zeit können Bouncer sogar 35 bis 40 Kilometer Höchstgeschwindigkeit erreichen. Insofern ist das mit dem Siebenmeilenstiefel nicht so weit hergeholt.

Der Siebenmeilenstiefel ist ja ein in der deutschen Literatur beliebtes Motiv. Er tritt auf im Faust II, bei den Grimms, bei Chamisso, Hauff, Bechstein und beim ortskundigen Heine, der mit seinen Stiefeln allerdings im Harz und zwar auf dem Brocken sitzt:

"Hätt ich Siebenmeilenstiefel,

Lief ich, mit der Hast des Windes,

Über jene Bergesgipfel,

Nach dem Haus des lieben Kindes."

Die heutigen Siebenmeilenstiefel aus Fiberglas hat Alexander Böck - er nennt sie "Poweriser" - erfunden, weshalb die Sportart in den USA auch als "bocking" oder "powerbocking" bezeichnet wird. Die Dinger sind patentiert und waren zunächst in Nordamerika ein Erfolg, bis sie nun auch hier angenommen werden. Von den Trendsettern, den Mutigen.

Astrid zum Beispiel, die 120 Kilo wiegt, bei einer Große von einssechzig. Das drückt die Federn schön zusammen und bringt mächtig Impuls. Ursprünglich wollte sie sich nur angucken, ob das Bouncen was für ihre beiden Jungs ist. Dann hat man sie, was schwierig war, überredet, die Federn doch mal selbst auszuprobieren. Und siehe da: Astrid lernte schnell, sprang hoch, hatte viel Spaß, und ihre Befürchtung, "das geht auf den Rücken", bewahrheitete sich nicht. "Knie und Rücken werden viel mehr geschont als beim Joggen, weil die Federn den Aufprall dämpfen", erklärt Dziobek. Außerdem sei das Schöne am Bouncen, "dass 98 Prozent aller Muskeln aktiv sind". Gut, um Gewicht zu verlieren.

In Hamburg gibt es einen, der kann den Salto. Das ist Tom, aber Tom ist heute nicht da. Es gibt keine Wettkämpfe, keine Teams, keine Ligen. Die Bouncer machen nicht den Eindruck, dass es mal so weit kommen soll. "Spaß reicht", sagt Dziobek.

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