AMERICAN PIE

Mit ernsthaften Saisonspielen in London hofft die NBA den europäischen Markt weiter erobern zu können

Die Expedition der Kellerkinder

Kommenden März wird es endlich mal ernst in London. Dann werden zwei Mannschaften der National Basketball Association (NBA) tausende Kilometer entfernt von der Heimat auflaufen und trotzdem wird es um mehr gehen als nur eine gute Show und einen Blumentopf. Wenn die Toronto Raptors und die New Jersey Nets im Frühjahr 2011 zwei Mal in der britischen Hauptstadt gegeneinander spielen, dann ist alles anders. Die beste Basketball-Liga der Welt präsentiert sich nicht nur auf einer Werbetour mit lockerem Vorbereitungsspielchen, sondern lässt ihre Teams unter Wettkampfbedingungen in der entscheidenden Phase der Saison in der Fremde antreten.

Das ist zumindest für Europa ein Novum. Bislang besuchten NBA-Teams zwar regelmäßig den alten Kontinent, aber wenn dann in der Vorbereitung. Auch dieses Jahr hat die Liga wieder Mannschaften dazu verdonnert, vor dem Saisonstart durch die Welt zu reisen: Anfang Oktober sollen die New York Knicks, die Minnesota Timberwolves und NBA-Meister Los Angeles Lakers in Spanien und Italien Werbung für nordamerikanischen Profi-Basketball machen. Den immer wichtiger werdenden chinesischen Markt dürfen zur selben Zeit die Houston Rockets beackern. Eine naheliegende Wahl: Deren Center Yao Ming ist in seiner Heimat ähnlich prominent wie der 110-Meter-Hürden-Olympiasieger Liu Xiang.

Spiele, die etwas zählen, hat die NBA schon einmal Anfang der Neunziger Jahre in Japan und Mexiko-Stadt veranstaltet. Im nächsten März aber geht es erstmals in Europa ganz ernsthaft um Punkte. Allerdings werden die Spiele höchstwahrscheinlich nicht von allzu großer sportlicher Bedeutung sein. Die Nets gehörten in den letzten Jahren zu den Kellerkindern der NBA, und die Raptors, die sich auch nicht viel besser geschlagen haben, haben nun auch noch ihren Star Chris Bosh verloren, der nach Miami wechselte, um dort zusammen mit LeBron James und Dwayne Wade endlich mal NBA-Champion zu werden.

Die Welt wird also wohl nach London sehen im März, aber sie wird womöglich ziemlich schlechten Basketball zu sehen kriegen. Vielleicht deshalb will David Stern, der Boss der Liga, nicht in Aussicht stellen, dass reguläre NBA-Saisonspiele in Europa zur Gewohnheit werden: „Ich will da nichts versprechen. Mal sehen, wie es im März läuft, aber ich kann mir vorstellen, dass das ein alljährliches Event wird.“

Stern vergaß auch nicht zu erwähnen, dass es das Ziel seiner Liga sei, nach Europa zu expandieren. Ein einzelnes NBA-Team sei allerdings kaum praktikabel. Es müssten schon mehrere sein, um den Reisestress gerechter zu verteilen, außerdem sei die Wirtschaftskraft momentan zu schwach und es fehle an geeigneten Arenen.

So konkret solche Überlegungen bereits klingen mögen, eine Erweiterung nach Europa ist kaum mehr als ferne Zukunftsmusik. „Ich sehe nicht, dass das bald passieren könnte“, so Stern, „aber es ist sicherlich etwas, was ich und meine Nachfolger in Erwägung ziehen.“

Wie vage diese Erwägungen sind, zeigt die Vorgeschichte der Auftritte der Nets und Raptors in London. Bereits drei Jahre ist es her, dass die NBA verkündete, man diskutiere sehr ernsthaft die Möglichkeit, normale Saisonspiele in Europa auszurichten. Behält die Liga ihr Tempo bei, mit dem sie den europäischen Markt erobert, wird vielleicht einmal Dirk Nowitzkis Sohn für ein in Berlin stationiertes NBA-Franchise antreten können.