Scheitern und Chancen

TEAMSPORTCHECK Nach den Männern sind in dieser Woche die Frauen dran. Wie gut sind Deutschlands Mannschaftssportlerinnen?

Grund zur Klage hätte Bundestrainer Peter Kathan eigentlich genug. Um das deutsche Frauen-Eishockey ist es nicht gut bestellt. Der letzte große Erfolg war der fünfte Platz bei den olympischen Winterspielen 2006. Seit aber das Nationalteam 2008 aus der A-WM-Gruppe abstieg, will der Sprung nach oben nicht mehr gelingen.

Verwunderlich ist das nicht: Die erste Liga, aus der Kathan sein Personal rekrutiert, wird immer kleiner. Vor vier Jahren jagten noch elf Vereine dem Puck hinterher, mittlerweile sind es nur noch sieben. Und das unter recht kuriosen Rahmenbedingungen. Der Grefrather EC und die Mannheimer Kurpfalz Ladies reisen bei Auswärtsspielen zuweilen mit neun Spielerinnen an – nicht einmal mit der halben Besetzung. Und in Bergkamen bekommen die Spielerinnen in der heimischen Halle kaum Eiszeit. Einmal die Woche ist Training – auf der halben Eisfläche.

Kathan jedoch sagt nur: „Das gefällt mir natürlich nicht so gut. Aber daran können wir eh nicht viel ändern.“ Die Vereine hätten vor allem große Probleme, die Reisekosten zu stemmen. Mit Träumereien von einer Eliteklasse hält sich Kathan erst gar nicht auf. Im Gegenteil. Der 62-Jährige glaubt, dass die Liga sich weiter gesundschrumpfen muss: „In der DDR gab es ja bei den Männern mit Weißwasser und Berlin auch nur zwei Vereine und das Niveau war trotzdem gut.“

Momentan bedient sich Kathan auch fast ausschließlich bei zwei Vereinen. Beim derzeit stattfindenden Vierländerturnier in Schweden stehen 13 Spielerinnen vom neuen deutschen Meister ESC Planegg im Nationalkader, sechs weitere kommen vom Zweiten OSC Berlin. Kathan hält auch deshalb viel von einer verkleinerten Bundesliga, weil die Vereine dann, so seine Vision, zusätzlich an internationalen Turnieren teilnehmen könnten.

Kurzfristig setzt er seine Hoffnungen auf die WM der Division I in Ravensburg, wo im April vor heimischen Publikum endlich der Aufstieg in die A-Gruppe gelingen soll. Mittelfristig hofft Kathan auf den Nachwuchs. Bei der U18-WM vergangenes Jahr wurden die deutschen Frauen immerhin Vierte. Und auch in der Bundesliga setzt man verstärkt auf den Nachwuchs. Beim OSC Berlin etwa werden bereits 14-Jährige eingesetzt. JOHANNES KOPP

Jeder kennt Dirk Nowitzki. Aber wer sind Anne Breitreiner oder Linda Fröhlich? Die beiden wohl besten deutschen Basketballerinnen sagen nur Insidern etwas – was auch daran liegt, dass sportliche Erfolge bisher fehlen. Bei einer WM durfte man erst einmal mitmachen, 1998, als automatisch qualifizierter Gastgeber. Und bei Europameisterschaften waren die Basketballerinnen auch nur sporadisch vertreten – zuletzt 2007. Abgesehen von einer Bronzemedaille 1997 scheitert man dort meist in der Vorrunde.

Frauenbasketball ist wenig populär in Deutschland. Und im Vergleich zu den Männern fast eine andere Sportart, weniger athletisch, dafür sehr taktisch geprägt. Man spielt in kleinen Hallen, und die erste Liga (DBBL) besteht lediglich aus zwölf Teams. Großes Geld gibt es dort nicht zu verdienen. Wer aber gut genug ist, wechselt in die lukrativen Ligen Südeuropas – wie derzeit vier Nationalspielerinnen. Die DBBL genießt einfach zu wenig Medieninteresse. Zu Unrecht, findet Gaby Brei, sportliche Leiterin des TSV Wasserburg, einer traditionellen Frauenbasketball-Hochburg. Um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, würde sie ihre Spielerinnen gerne in hautenge Bodys packen. Zudem hängen für sie die Körbe wortwörtlich zu hoch: „Wären sie niedriger, gäbe es auch mal Dunkings.“

Doch das primäre Ziel muss es sein, endlich den Nachwuchs besser zu fördern. „Einige Vereine holen immer noch lieber fertige Spielerinnen aus dem Ausland“, sagt DBBL-Geschäftsführer Achim Barbknecht. Vor zwei Jahren wurde deshalb die U17-Bundesliga WNBL gegründet. Da sieht Bundestrainer Bastian Wernthaler, seit Oktober im Amt, schon „ein ganz gutes Niveau“. Zum anderen wurde in der DBBL eine Quotenregelung eingeführt, bei der Handballbundestrainer Heiner Brand vermutlich vor Freude an die Decke springen würde: nun müssen immer zwei deutsche Spielerinnen auf dem Parkett stehen. „Das ist wohl die wichtigste Maßnahme überhaupt“, so Wernthaler. Im Juni kämpft er mit seinem Team um die EM-Qualifikation. Die Chancen sind gering – nur eines von zehn Teams ergattert den letzten freien Startplatz.

So will Wernthaler vorrangig eine neue Mannschaft aufbauen und einen neuen Spielstil finden, um sich mittelfristig regelmäßig für Europameisterschaften zu qualifizieren. „Das ist der erste Schritt“, sagt er. „Eine Weltmeisterschaft oder Olympia sind im Moment sehr weit weg.“

NICOLAS SOWA

Wer die besten deutschen Volleyballerinnen sehen möchte, muss flexibel sein. Und reiselustig. Viele Nationalspielerinnen schmettern im Ausland: Margareta Kozuch in Russland, Christiane Fürst in der Türkei, Kathleen Weiss in Aserbaidschan, Corina Ssuschke in der Tschechischen Republik sowie Heide Beier und Anne Matthes in Italien. Die Bundesliga hingegen ist in den letzten Jahren immer mehr zur Ausbildungsliga geworden. Das gut funktionierende Fördersystem des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV) spült immer wieder talentierte Spielerinnen nach oben. Doch wenn sich die Youngster etabliert haben, wird es schwierig, sie zu halten. Deutschlands höchste Spielklasse bietet weder genügend Qualität noch genügend Geld, um für Spielerinnen von internationalem Format attraktiv zu sein.

Wie groß die Begehrlichkeiten der Konkurrenz sind, zeigt das Beispiel Lena Möllers. Die Zuspielerin war der Kopf jenes deutschen Teams, das 2009 in Mexiko die Juniorinnen-Weltmeisterschaft gewann. Sie gilt auf ihrer Position als eines der ganz großen Talente. Im Frühsommer des vergangenen Jahres kam die Offerte aus dem italienischen Bergamo. Bundestrainer Giovanni Guidetti – selbst Italiener – riet ihr vom Wechsel ab: „Ich sage den jungen Spielerinnen immer, sie sollen sich erst einmal in der Bundesliga etablieren und einige Jahre erfolgreich in der Stammsechs spielen.“

Lena Möllers verteilt also weiter beim Deutschen Meister Rote Raben Vilsbiburg die Bälle. Guidetti macht der Liga Mut, ihre besten Kräfte auf Sicht halten zu können: „In den nächsten Jahren wird die Bundesliga viel, viel stärker sein.“ Ein Indikator für den Aufschwung sei, dass Deutschland in der kommenden Saison nach Jahren der Abstinenz wieder in der Champions League vertreten sei. Um in der Königsklasse mithalten zu können, werde der Meister aufrüsten, glaubt Guidetti: „Die anderen Topteams müssen mitziehen, und das ergibt eine Sogwirkung.“

FELIX MEININGHAUS

Es ist gut zweieinhalb Jahre her, dass Ulrich Strombach sich von den deutschen Handballerinnen eine olympische Goldmedaille wünschte. Er habe eine „Abneigung gegen Silber“, erklärte der Präsident des Deutschen Handballbunds (DHB) damals, das Team sei „goldwürdig und goldfähig“. Es flossen bittere Tränen nach dem Vorrunden-Aus.

Es war der Beginn eines rätselhaften sportlichen Absturzes. Auch bei der letzten EM schied das Team von Rainer Osmann schon in der Vorrunde aus. Im letzten Spiel gegen die Ukraine hatte die Mannschaft ihre Nerven nicht im Griff. Selbst eine Niederlage mit sieben Toren hätte gereicht, man verlor 23:33. So droht nun das gleiche düstere Szenario wie bei den Männern. Scheitern die Damen im Juni in den WM-Playoffs gegen die starken Ungarinnen, ist das Ticket für Olympia 2012 futsch.

Kay-Sven Hähner kann das immer noch nicht fassen. „Eigentlich war die Mannschaft bei der EM stark genug besetzt, um ins Halbfinale zu kommen“, sagt der Manager des Branchenführers HC Leipzig. Es ist ein Mirakel, warum die Spielerinnen im Klub glänzen und im Nationaltrikot ihre Leistung nicht abrufen.

Dabei drängt anders als im Männerhandball vielversprechender Nachwuchs für den Rückraum nach. Die Halblinke Franziska Mietzner (22) aus Frankfurt ist bereits etabliert in der Nationalmannschaft, als großes Talent auf dieser Königsposition gilt die gleichaltrige Nadja Nadgornaja vom Thüringer HC. Auf der Linkshänderposition im Rückraum, wo Grit Jurack seit 15 Jahren das deutsche Spiel prägt, weist Susann Müller (22) bereits über 50 DHB-Einsätze auf.

Zudem zeigt die Rückkehr zahlreicher Stars aus dem dänischen Dorado des Frauenhandballs, dass auch die Bundesliga attraktiver geworden ist. Standorte wie Leipzig, Oldenburg, Leverkusen, Buxtehude sind über Jahrzehnte organisch gewachsen und haben präsentable Zuschauerzahlen. Und selbst wenn es einige Sorgenkinder gibt, etwa die Trierer „Miezen“, die erhebliche finanzielle Lasten plagen, ist „insgesamt die Lage gut“, wie Kay-Sven Hähner sagt. „Insolvenzen wie im Männerhandball gab es nicht.“ ERIK EGGERS