ÜBER BALL UND DIE WELT
: Europa lässt grüßen

über Fußball- kulturtransfer

MARTIN KRAUSS

Das klingt verdammt nach Fußball. „Verräter und Lügner werden nicht vermisst!“ So ein Plakat aufzuhängen und dafür Aufmerksamkeit zu erheischen – das gehört zu den gesellschaftlichen Freiräumen, die es nur noch im Fußballstadion gibt. Glaubt man.

Doch das Plakat wurde in der Welt des Basketballs gemalt. Fans im US-College-Basketball halten es hoch. Worum es den Fans der Georgetown University geht, ist recht nebensächlich: In dem Fall geht es gegen den Uni-Kanzler, an anderen Spieltagen um anderes – Fanproteste halt. Aber, das ist wichtig, die Form des Fußballprotests wird in die Basketballhalle getragen. Das Phänomen gibt es ja sehr oft: Das Eine, das mal das Einzigartige war, wird wie das Andere. Warum? Weil das früher Andere das Mächtigere ist: Prenzlbergisierung Kreuzbergs? Gibt es. Amerikanisierung Deutschlands? Angeblich ja auch, zumindest liest man oft davon. Gerade, dass Jugendliche sich hierzulande für die NBA, die amerikanische Profiliga im Basketball, interessieren, soll ja so ein Beleg für diese besondere kulturelle Macht Amerikas sein.

Doch hier geht es andersrum: um die Fußballisierung des Basketballs. Und zwar nicht in dem Sinn, dass das Runde künftig ins Eckige statt ins Obere muss oder dass die Füße tretend statt laufend zum Einsatz kämen. Nein, es geht um Fußball und Basketball nicht als Spiele, sondern als soziale Veranstaltungen – mit allem Drum und Dran, also auch mit Fans, die da sind, die Lärm machen und die Interessen haben: Plätze zum Stehen, günstige Tickets, gute Spiele, bezahlbares Bier und eine Mannschaft, die ihre Unterstützung wert ist.

Die Basketballer der Georgetown University spielen ziemlich weit oben – in der NCAA. Und ihre Fans sind sehr besonders. „Unsere Gruppe beruft sich auf die leidenschaftlichen Fanclubs im europäischen Fußball“, formulieren sie. „Und kein Fanclub ist vollständig, wenn er nicht seinen eigenen Schal hat.“ Also machten sich die Fans der Hoyas, wie die Teams der Georgetown University gerufen werden, ans Design eines Fanschals, den man im Basketball so noch nicht gesehen hat: „Forever Loyal to the Blue and Gray“ heißt es da in bester Fußballfanprosa. Auf ihrer Website schreiben sie, was sie mit dem Ding vorhaben: „Ob ihr den Schal als Demotuch nutzt und ihn über euren Kopf haltet, als Zeichen der Solidarität mit dem Team, oder ob ihr ihn an einem kalten Wintertag um den Hals legt – dieser Schal ist unglaublich vielseitig, und es gibt keinen besseren Weg, eure Liebe zu Georgetown auszudrücken.“ Das klingt verdammt wie Fußball, und wenn man genau hinguckt, sind es auch die Fußballfans der langen Kerls: „Basketball ist unsere Religion“ war jüngst bei einem Heimspiel zu lesen – auf einem Transparent, das schon beinah europäische Stadionbannerqualität aufwies. Und neben dem Spruch waren auf einer Zeichnung sieben vermummte Fans zu sehen, die sich recht kämpferisch gaben.

Die NCAA ist nicht die NBA, und Georgetown ist vielleicht nicht das ganze Amerika, aber dennoch findet sich hier der Einbruch der europäischen Fankultur in eine sehr amerikanische Domäne. Nur Hooligans beim Super Bowl würden mehr irritieren. Das passiert interessanterweise weniger im Soccer. Es sind eben nicht Vertreter der stolzen Working Class, die, wie in englischen Industriestädten, ihre Boys supporten. Es sind Studenten der angesehenen Georgetown University, und das wiederum ist eine Einrichtung, die nicht nur nichtproletarisch ist, sondern die bislang auch ohne Schals und Plakate eine Macht im amerikanischen Collegesport darstellte.

Das kann ein schöner Beleg dafür sein, dass es die vielbeschworene Amerikanisierung (die ja immer als etwas Schlechtes beschrieben wird) gar nicht gibt. Oder dass es zumindest auch eine Europäisierung Amerikas gibt. Und ob man die toll findet oder nicht, ist, wie immer im Sport und im Leben, eine Frage der Perspektive. Vielleicht ist Georgetown ja der Anfang.