Er rollt und rollt und rollt …

LIZENZ Der VfL Osnabrück startet das erste Crowdfunding im Profifußball und sammelt 400.000 Euro

Wenn der VfL Osnabrück ein Tier wäre, wäre er ein Heiliger Pillendreher

Mit dem ersten Crowdfunding in der Geschichte des deutschen Profifußballs hat der VfL Osnabrück wohl den Dreh geschafft, die Lizenz für die kommende Spielzeit zu erhalten. Innerhalb von zwei Tagen gewährten zahlreiche Unterstützter dem Club Darlehen im Gesamtwert von 400.000 Euro. So viel Geld fehlte für die vom DFB geforderte Liquiditätsreserve.

Wenn der VfL Osnabrück ein Tier wäre, wäre er ein Heiliger Pillendreher. Der Käfer dreht sich ein Pille aus Dung und schiebt sie mit den Hinterbeinen vor sich her. Unermüdlich treibt er diese Kotkugel weiter, auch über Hügel. Fällt sie herunter, fängt der Käfer unten wieder an.

Ähnlich geht es dem Verein für Leibesübungen aus Osnabrück. Mit jeder Saison dreht sich der VfL eine Pille, die einen Hügel hochgerollt werden muss. Dieses Mal scheint der Kraftakt gelungen. Der Rat der Stadt Osnabrück unterstützt den Club trotz gegenteiliger Bekundungen erneut. „Die Zustimmung des Rats ist für uns existenziell, weil sie eine Voraussetzung für die Lizenz und damit für die Zukunft des VfL ist“, sagte Geschäftsführer Jürgen Wehlend vor der Zustimmung des Stadtrats der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Neben VfL-Interimspräsident Christoph Ehrenberg ist er als Gewinner aus einem Machtkampf hervorgegangen, der im Winter mit der alten Führung ausgefochten wurde. Damals hatte sich ein Großteil der Sponsoren des VfL gegen Wehlend und Ehrenberg ausgesprochen. Das jetzige Führungsduo blieb aber hartnäckig. Einer der Sponsoren war der langjährige Trikotsponsor. Welcher Name in der kommenden Saison auf den lila-weißen Trikots erscheint, ist noch nicht klar. Der Verein sucht jedoch händeringend Ersatz.

Um die Lizenz für die kommende Spielzeit zu erhalten, fehlt dem VfL Geld. Dafür hat der Club als erster Profiverein im deutschen Fußball ein Crowdfunding auf die Beine stellen lassen. Fans, Freunde und Sponsoren des VfL sollen dem Verein Geld borgen, dass „fair verzinst werde“, so Wehlend. Drei Prozent erhalten die Darlehnsgeber über eine Laufzeit von 18 Monaten. Im Falle eines Aufstiegs in die 2. Liga sollen es fünf Prozent sein. Wehlend weist darauf hin, dass es sich um ein nachrangiges Darlehen handelt. Das bedeutet, dass im Falle einer Insolvenz des VfL erst diejenigen Gläubiger bezahlt werden, die dem Verein schon vorher Geld geborgt haben.

Die Stadt hat dem VfL vor etwa zwei Jahren einen Kredit in Höhe von 3,6 Millionen gewährt. Der Verein sollte der Kommune danach den Betrag in Raten abstottern. Diese Raten sind jedoch gestundet worden. So hält sich der VfL mit einem Geflecht aus Schulden, Sponsoringgeldern, privaten Darlehen, Bürgschaften und jetzt eben Crowdfunding über Wasser. Zwar hat der Verein laut Wehlend in der abgelaufenen Saison weniger Verlust gemacht als erwartet, doch angesichts einer Schuldenlast von über zehn Millionen Euro fällt das Wirtschaften nicht einfach. Der Käfer rollt seine Kugel weiter.

Angesichts der wirtschaftlichen Lage ist der 5. Platz, den der VfL in der 3. Liga erreicht hat, ein immenser sportlicher Erfolg. Trainer Maik Walpurgis baute quasi von Null aus eine neue Mannschaft auf. Jetzt verlassen einige Leistungsträger sein Team. Top-Torjäger Adriano Grimaldi (13 Tore) wechselt zum Zweitliga-Aufsteiger 1. FC Heidenheim. Sein Sturmpartner Pascal Testroet (sieben Tore) war ausgeliehen und kehrt zum Absteiger Arminia Bielefeld zurück. Abwehr-Stabilisator Sebastian Neumann geht zum VfR Aalen. Es wird kräftig am Kader gebastelt. Mittlerweile stehen 22 Spieler beim VfL unter Vertrag. Für den VfL wäre es eine ungewöhnliche Saisonvorbereitung. In den vergangenen Jahren musste der Kader immer erst nach Spielzeitbeginn zusammengestellt werden. Saisonstart in der 3. Liga ist am 25. Juli.  THOMAS WÜBKER