Sehnsucht nach Anerkennung

FANTASIE „Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters“: Tilman Rammstedt hat einen sehr lustigen Roman über die Vorstellungskraft geschrieben – und die Nöte des Schriftstellers, der sich nur auf sie verlassen muss

VON SUSANNE MESSMER

Eine der lustigsten Stellen ist diese: Der fiktive Autor Tilman Rammstedt schreibt an den fiktiven Hollywoodstar Bruce Willis. Der Verlag habe den „Umschlagentwurf für unseren Roman“ geschickt. An der Katze auf dem Umschlag „sei angeblich nichts mehr zu ändern“. Der fiktive Autor schreibt: „Bücher ohne Katze auf dem Umschlag würden sich einfach nicht mehr verkaufen, behauptet mein Verlag.“

Wir befinden uns auf Seite 49 des neuen, dritten Romans des echten Schriftstellers Tilman Rammstedt, das den schönen Titel „Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters“ trägt und so knifflig gebaut ist, dass es schwer fällt, es kurz zu erklären. Grob gesagt geht es um einen glücklosen Autor, der Schwierigkeiten mit der Deadline seines Buchs hat, sich gerade von seiner Frau trennt und zu oft in Wartezimmern diverser Ärzte herumdrückt. Außerdem geht es um seinen Bankberater, einen traurigen Tropf, der behauptet, „einmal fast ein großes Gefühl“ gehabt zu haben und Pfützen für die „Ozeane des kleinen Mannes“ hält.

Vor allem aber geht es darum, wie der glücklose Autor versucht, einen Roman über den traurigen Tropf zu schreiben. Weil er nicht weiß, wie er’s anstellen soll, beginnt er in einer Art Übersprungshandlung, Mails an Bruce Willis zu schreiben, in denen er ihn um die Mitwirkung in seinem Roman bittet – und darum, den Bankberater zu retten, den er seine eigene Bank überfallen lassen will. Bruce Willis schweigt, natürlich. Und je mehr er schweigt, desto mehr wird der fiktive Autor gezwungen, sich auszumalen, was passieren würde, wenn er nicht schweigen würde. Am Ende haben wir es mit einem angeschossenen Bruce Willis auf der Flucht mit einem nervösen Autor zu tun, und Bruce Willis schreit seinen Erfinder an, er solle endlich mal anfangen, „zwischen Wirklichkeit und Fantasie zu unterscheiden“.

Man könnte sagen, dass Tilman Rammstedt, der 2008 mit einem Text aus seinem Erfolgsbuch „Der Kaiser von China“ den Ingeborg-Bachmann-Preis gewann, eine Art Metafiktion versucht hat – ein Buch über das Entstehen von Vorstellungskraft, aber auch über die Nöte des Schriftstellers, der sich allzu ausschließlich auf diese zu verlassen hat. Das Problem ist nur, dass dieser Erklärungsansatz viel zu wissenschaftlich klingt, denn das Buch, um das es hier geht, will nicht im germanistischen Seminar, sondern in der Badewanne oder im Bett gelesen werden.

Und das wird es auch werden, denn Tilman Rammstedts Sprache ist derart absurd und lakonisch, dass man sie nur so verschlingt. Das betrifft nicht nur die Charakterisierung von Bruce Willis, dessen Masche ja bekanntlich keine Masche mehr ist, sondern öffentliches Gemeingut – die aber trotzdem noch einmal so beschrieben wird, als hätte man sie noch nie bewundert. Das betrifft aber auch die Beschreibung des Bankberaters in den kurzen Absätzen zwischen den Mails an Bruce Willis, die einen kleinen, grauen Mann und dessen verzweifelte Sehnsucht nach Anerkennung derart hellsichtig und gleichzeitig mitfühlend beschreibt, dass es einem schier das Herz zerreißt.

Die Sache mit der Katze übrigens geht dann so aus: Tilman Rammstedt lässt seinen fiktiven Autor fantasieren, wie er mit Bruce Willis in den Wald flüchtet. Sie liegen im Morast, und da hören sie plötzlich nicht die Katzen, sondern, wie sollte es anders sein, die Spürhunde. Einer der Hunde entdeckt sie dann auch. Er muss im Laufe des Romans noch diverse Rollen übernehmen. Und am Ende heißt es: „Der Hund miaute nicht, das wäre ja noch schöner gewesen.“

Auf dem Cover des Buchs befindet sich übrigens wirklich eine Katze, wenn auch sehr klein. Aber wenn sich dieser schöne, kluge Roman, was zu hoffen ist, gut verkaufen sollte, liegt es sicherlich nicht allein daran.

Tilman Rammstedt: „Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters“. Dumont, Köln 2012, 160 S., 18,99 Euro