Kommentar: Die Familienbande

In den vergangenen Jahren hat sich Frankreichum die bulgarischen Krankenschwestern gekümmert. Nun schlägt Sarkozy Kapital daraus - für sich und seine Familie.

Die Befreiung der Krankenschwestern und des Arztes aus ihrem libyschen Gefängnis ist eine ausgezeichnete Nachricht. Und trotzdem: Nachdem die sechs jetzt frei sind, müssen die Umstände und Aktionen, die dazu geführt haben, hinterfragt werden. Das gilt insbesondere für die Rolle des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy.

Frankreich, das sich jahrelang kaum um den heiklen Fall gekümmert hat, ist erst im letzten Moment, als der glückliche Ausgang absehbar war, aktiv geworden. Hatte zunächst Gaddafi die Gefangenen für seine politischen Zwecke instrumentalisiert, missbraucht nun Sarkozy ihre Befreiung für sich. Er beginnt schon heute, aus dem Drama politisches Kapital zu schlagen, und besucht zum Auftakt seiner Afrika-Reise Libyen. Im Windschatten der Befreiung will er die französische Position in dem nordafrikanischen Land ausbauen.

Auch in der Form steht der französische Präsident dem Chef des libyschen Regimes nicht nach. Beide praktizieren eine Familiendiplomatie. Der Colonel in der Wüste schickt seine Kinder vor, um "humanitäre" Dinge wie Wiedergutmachungen für Flugzeugattentate oder jahrelange Geiselnahmen zu verhandeln. Der Präsident im Elysée schickt seine Gattin. Weder Sohn und Tochter in Libyen noch die Gattin in Frankreich sind gewählt worden. Niemand von ihnen wird von einem Parlament kontrolliert. Keiner hat eine andere Legitimation als die Familienbande.

Jenseits dieser Familienwirtschaft wirft auch der Umgang mit den für heikle außenpolitische Missionen qualifizierten Leuten in Paris, Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten Fragen auf. Sarkozy hat als Erstes den französischen Außenminister Bernard Kouchner übergangen. Als Zweites hat er die EU-Kommission und andere europäische Regierungen, die sich seit Jahren um die Libyen-Frage gekümmert haben, brüskiert.

Fortan wissen einerseits die Franzosen, dass sie es nicht nur mit einem gewählten Präsidenten zu tun haben werden, sondern auch mit seiner nicht gewählten Gattin. Zugleich haben die übrigen EuropäerInnen jetzt eine Kostprobe der Methode Sarkozy erlebt. Dieses Mal jenseits der französischen Landesgrenzen.

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