die taz vor zehn jahren über klagen gegen bill clinton wegen sexueller belästigung
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Bill Clinton wird der erste Präsident der USA sein, der noch während seiner Amtszeit wegen des Vorwurfs persönlicher Verfehlungen, genauer gesagt: sexueller Belästigung vor Gericht gestellt wird. Na und? Zu Fall bringen wird ihn das nicht. Die Mehrheit der US-Bürger hofft, daß das ganze Verfahren wegen sexueller Belästigung außergerichtlich ein Ende findet. Niemand scheint dem Präsidenten so richtig übelzunehmen, was da 1991 im Hotelzimmer passierte – oder nicht passierte. Die Richterin in Little Rock wies am Freitag den Antrag Clintons ab, die Klage der Paula Jones für unzulässig zu erklären. Der US-Präsident genießt also keinen Sonderstatus, er hat sich wie ein ganz normaler Bürger vor Gericht zu verantworten habe. Ein Widerspruch – denn wäre Clinton ein ganz normaler Bürger, wäre es zur Klage der Paula Jones nie gekommen. Wenn alles stimmt, was sie sagt, stellt sich der Fall so dar: Er, ein erwachsener Mann, will mit ihr, einer erwachsenen Frau, sexuellen Verkehr haben. Sie will nicht und geht. Fertig. Aber: Auch wenn es danach keinerlei berufliche Nachteile für Jones gab, so war Clinton damals der oberste Chef der Angestellten Jones, und hätte sie sich auf ihn eingelassen, so würde ihr wohl jedes Gericht zugestehen, aus Angst gehandelt zu haben. Schwierig zu entscheiden. Aber was den Fall erst richtig pikant macht, ist Jones’ Ankündigung, ihre Aussage mit Detailwissen aus dem nunmehr präsidialen Genitalbereich unter Beweis zu stellen; es gebe da Markantes, heißt es. Was nun, und wieviel ist es Clinton gegebenenfalls wert, eine solche Aussage vor Gericht zu verhindern? 700.000 Dollar wie anfangs gefordert, zum Verschweigen eines Leberflecks auf dem Schwanz? 800.000 für eine Phimose? Eine Million gar für das Verleugnen präsidialer Größe? Hier wird der US-Präsident zum Objekt von Männerwitzen. Vielleicht ist es das, was den Fall so gar nicht taugen läßt, um feurig für die Verurteilung von sexuellen Belästigern zu Felde zu ziehen.

Bernd Pickert, taz 25. 8. 1997