Kommentar Madonna wird 50: Madonna, das Anti-Aging-Programm

Die Popdiva provoziert die Frauen bis heute gnadenlos. Gemessen an ihr sehen ihre früheren Fans älter aus denn je.

Madonna ist fünfzig, aber ist sie tatsächlich alt? Wie keine andere Popdame war sie für Jungfeministinnen in den 90ern ein Rolemodel. Denn sie war alles, und zwar alles auf einmal: Erfolgreich, cool, sexy, weiblich, männlich, hetero und lesbisch. Madonna war die Superemanze. Sie verkörperte den neuen - selbstverständlich achselhaarfreien - Feminismus.

Das Aufregende an Madonna war, dass sie sich auf keine Identität festlegen ließ. Ihre widersprüchliche Selbstinszenierung sorgte in der häufig moralisierenden feministischen Szene für Unruhe. Dort fragten sich noch viele, ob Minirock- und Lippenstifttragen eine lässliche Sünde sei oder nicht - und sahen angesichts der Freude Madonnas an der Maskerade älter aus denn je. Andere atmeten auf. Zwar würden sie nie wie Madonna mit Sean Penn und Sarah Bernard knutschen dürfen. Doch immerhin konnte man sich der Popdiva nähern, indem man Hausarbeiten über sie schrieb.

Inzwischen ist Madonna alt - und sieht auf der Leinwand noch immer aus wie Ende dreißig. Das setzt die gleichfalls älter gewordenen Fans unter Druck. Jetzt mögen sie Madonna nicht mehr so. Dabei spüren sie deutlich, dass die den gleichen Feind haben: die Festlegung von Frauen über 40 auf geschmackvoll zurückhaltende Weiblichkeit. Doch statt dezenter zu werden, bleibt Madonna auf der Bühne auch mit 50 Jahren die aggressive, sexualisierte Frau mit Konfektionsgröße 36. Sie bleibt ihrer Trashvergangenheit treu. Ihr Nabel ist inzwischen nicht mehr zu sehen. Dafür feiert sie ihre muskulösen Oberarme bar jeden schlabbernden Frauenfleisches. Wer Madonna sieht, begreift: Jugend im Alter ist harte Arbeit.

Nachdem wir an Madonna die Lebendigkeit geliebt haben, befremdet ihr asketisches Körperstyling nun. Denn: Wie emanzipiert ist Selbstkasteiung? Doch die Frage ist falsch gestellt. Denn Madonna zwingt uns nicht dazu, unser Leben im Fitnessclub zu verbringen. Sie verteidigt nur, die Freiheit, die Lust am Trash, am Pop, an der Aggression und der Verführung auch dann nicht kaschieren zu müssen, wenn man älter wird.

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leitet seit August 2015 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.   Mich interessiert, wer in unserer Gesellschaft ausgeschlossen und wer privilegiert wird - und mit welcher kollektiven Begründung.   Themenschwerpunkte: Feminismus, Männlichkeitsentwürfe, Syrien, Geflüchtete ,TV-Serien.   Promotion in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft zu: "Der Mann in der Krise - oder: Konservative Kapitalismuskritik im kulturellen Mainstream" (transcript 2008).   Seit 2010 Lehrauftrag an der Universität St. Gallen.

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