Kommentar zu Bildungskanzlerin: Reisen bildet - hoffentlich

Bei der Bildungsreise der Kanzlerin geht es wie bei allen Sommerreisen von Politikern eher um Inszenierung denn um Politik, eher um werbewirksame Bilder denn um echtes Zuhören.

Die Bundeskanzlerin bildet sich fort: Angela Merkel unternimmt in den nächsten Wochen eine Sommerreise, die sie ganz der Bildungspolitik gewidmet hat. Sie wird sich die Nöte der Hauptschüler in Löhne-West anhören, Kitakinder in Hiddenhausen bespaßen und mit Azubis in Hamburg diskutieren.

An dieser Tour lässt sich viel herumkritteln. Es geht wie bei allen Sommerreisen von Politikern eher um Inszenierung denn um Politik, eher um werbewirksame Bilder denn um echtes Zuhören. Natürlich reist Merkel als Königin ohne Land, wie die Grünen lästern. Mit der Föderalismusreform im Jahr 2006 haben Merkel und ihre Union jede Idee einer klaren, gesamtstaatlichen Bildungspolitik zerstört, indem sie den Ländern noch mehr Kompetenzen überließen. Und ja, auch taktisch landet Merkel einen Coup. Sie besetzt vor dem Wahljahr 2009 geschickt das letzte zukunftsträchtige Thema, nachdem die Union der SPD und den Grünen bereits bei der Familien- und der Umweltpolitik den Schneid abgekauft hat.

Dennoch wäre es falsch, das Symbol, das die Kanzlerin setzt, als rein verlogen abzutun. Mit ihrer Rede zur "Bildungsrepublik Deutschland" im Juni, mit ihrer jetzigen Rundreise und - vor allem - mit dem Bildungsgipfel im Oktober hebt sie das Thema auf die Ebene, die ihm gebührt: Bildung muss Chefsache sein. Rund 80.000 Jugendliche verlassen Jahr für Jahr die Schule ohne Abschluss. Gleichzeitig nimmt die Armut in Deutschland zu, und die Wirtschaft schreit nach Fachkräften. An dieser gesellschaftspolitischen Katastrophen ist zum Gutteil die Union schuld, die sich nach wie vor an die Idee klammert, lernschwächere Kinder möglichst früh von den stärkeren abzusondern.

Deshalb muss Merkel ihren wolkigen Ankündigungen Taten folgen lassen, wenn sie es ernst meint mit ihrer Offensive. Dazu gehören zum Beispiel Bildungsinvestitionen in Milliardenhöhe im Bundeshaushalt. Aber auch eine ständige, engagierte Auseinandersetzung mit den Länderchefs über die Wichtigkeit der Bildungspolitik. Sonst hat die Kanzlerin nichts gelernt. ULRICH SCHULTE

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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