Kommentar Metall Tarifeinigung: Wo bleibt Westerwelle?

Früher pochten gerade die Metaller offensiv darauf, sich aus dem Tarifstreit herauszuhalten. Wenn Subventionen winken, nehmen sie ihre Ideale nicht mehr ganz so genau.

Sowohl die Unternehmen der Metallbranche als auch die IG Metall verkaufen ihren Tarifabschluss der Öffentlichkeit im Tonfall staatstragender Seriosität. Sie habe wegen der Krise bewusst auf Drohgebärden verzichtet, sagt die IG Metall. Jobsicherung ist im Moment erste Bürgerpflicht, tönt es aus dem Arbeitgeberlager. Beide Seiten suggerieren Vernunft, Bescheidenheit und Verzicht.

Verzicht? Auf eines wollen beide auf keinen Fall verzichten: auf Hilfe vom Staat. Die offensive Forderung nach Unterstützung, die die Tarifpartner quasi zur Bedingung für das Bestehen ihres Paktes machen, ist neu. Und sie ist gleich in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zunächst pochten gerade starke, exportorientierte Firmen der Metallbranche in der Vergangenheit auf die Tarifautonomie - und empfahlen dem Staat, sich aus der Fragen der Lohngestaltung herauszuhalten, Stichwort Mindestlohn.

Wenn Subventionen für Kurzarbeit winken, nehmen es Firmen mit der Tarifautonomie anscheinend nicht ganz so genau. Gesamtmetall-Chef Kannegiesser droht der Regierung sogar unverhohlen: Wenn die Bundesagentur nicht länger die Sozialabgaben bei der Kurzarbeit übernimmt, will er den Abschluss aufkündigen. Solch erpresserische Anmaßungen müssten eigentlich sofort den Außenminister auf den Plan rufen, der ja hauptberuflich darüber wacht, dass hierzulande nicht der Sozialismus eingeführt wird.

So lobenswert es ist, dass die IG Metall den Beschäftigten einer gebeutelten Branche ein Mindestmaß an Sicherheit garantieren will - die Wahl der Mittel verblüfft. Ebenso überrascht die Selbstverständlichkeit, mit der eine über Abwrackprämie und Kurzarbeit hoch subventionierte Branche weitere Subventionen vom tief verschuldeten Staat erwartet.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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