REINHARD WOLFF ÜBER DEN ALGENTEPPICH AUF DER OSTSEE
: Die EU-Kloake

Sommer, Sonne, Hochdruck, Wärme – und Algen. Alle Jahre wieder. Und beinahe jeden Sommer wird ein Rekord gebrochen. Derzeit bedeckt ein riesiger Blaualgenteppich die Ostsee. Ursache ist die Belastung dieses Binnenmeeres mit Phosphat. Hauptquelle: die Landwirtschaft.

Bis auf Russland sind ausschließlich EU-Länder die Anrainerstaaten der Ostsee. Für ihren Krankheitszustand sind wir EU-MitbürgerInnen also fast allein verantwortlich. Und wie der WWF im vergangenen Jahr ausgerechnet hat, trägt jeder Deutsche mit jährlich rund 250 Euro dazu bei, dass die Ostsee weiter erstickt wird. Denn nahezu alle EU-Landwirtschaftssubventionen seien direkt schädlich für die Ostseeumwelt. Würde ein Bruchteil dieser Subventionen zielgerecht für den Ostseeschutz eingesetzt, die sommerlichen Algenteppiche könnten in ein bis zwei Jahrzehnten der Vergangenheit angehören. Wenn die Hebel dafür jetzt umgelegt würden. Doch der Kurs wird viel zu langsam geändert. Wenn die existierenden „Rettungspläne“ verwirklicht werden, wäre allenfalls in 50 Jahren ein Stopp der regelmäßigen massiven Algenplagen zu erhoffen. Allzu optimistisch darf man da nicht sein: Ziele, die sich die Anrainerstaaten in der Vergangenheit setzten – etwa die Halbierung der Phosphat- und Nitrateinleitung binnen 15 Jahren – wurden weit verfehlt.

Ein Fünftel des Ostseebodens ist bereits sauerstofffrei. Diese „Todeszonen“ breiten sich mit den auf den Meeresboden absinkenden und sich mit hohem Sauerstoffbedarf zersetzenden Algen nun weiter aus. Aber davon sieht man nichts. Und mit den Algenteppichen auf der Oberfläche wird demnächst auch das Algenthema wieder in der Versenkung verschwinden. Bis zum nächsten Sommer. Dabei könnte Europa hier beweisen, zumindest seine hausgemachten Umweltprobleme in den Griff zu bekommen.

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