Kommentar Terrorwarnungen: Substanzlose Panikmache

Ein von Islamisten geplanter Terroranschlag auf Deutschland ist nicht unwahrscheinlch, doch die Warnungen aus den USA verbreiten unnötigen Schrecken in der Gesellschaft.

Natürlich ist es möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass in irgendeiner islamistischen Zelle darüber nachgedacht wird, was für Anschläge in Deutschland möglich wären. Schließlich ist Deutschland ein wirtschaftlich bedeutsames westliches Land und eine kriegsführende Macht in Afghanistan, auch wenn die offizielle Sprachregelung anders lautet.

Was der rechte US-Sender Fox und andere Medien jetzt aber an angeblich konkreten Warnhinweisen in die Welt setzen, ist fahrlässig und schädlich - und in der Substanz albern. Na sicher würde man in Berlin keine Dönerbude ins Visier nehmen, sondern das Hotel Adlon, den Fernsehturm und den Hauptbahnhof, wenn man denn wollte. Und vielleicht noch ein paar Orte mehr, auf sie kann jeder kommen, der die Stadt ein bisschen kennt.

Die Warnungen, deren Herkunft und Brisanz nicht nachzuprüfen ist, erinnern an die Terrorpanik unter der Bush-Regierung, als nahezu wöchentlich Alarmstufen nach Belieben mit Mediengedöns herauf- und ohne wieder heruntergesetzt wurden. So hält man die Bevölkerung in Angst und legitimiert Kriege im Ausland.

Also die Warnungen einfach ignorieren? Als Bevölkerung: Ja. Als Sicherheitsbehörden: Nein. Von denen ist selbstverständlich zu verlangen, dass sie Gefahrenanalysen vornehmen, konkreten Informationen nachgehen und alles zum Schutz der Öffentlichkeit unternehmen - und zwar lautlos.

Im Übrigen: In den letzten 20 Jahren sind in Deutschland rund 140 Menschen durch rechtsextreme Gewalt gestorben, durch islamistischen Terror niemand. Zu schützen wäre also doch eher die Dönerbude als das Hotel Adlon. Eines aber eint beide Szenarien: Wer Menschen verunsichert, hat unrecht. Wenn Geheimdienste ohne nachprüfbaren Hintergrund Warnungen herausgeben, dann erledigen sie das Geschäft derjenigen, die sie angeblich bekämpfen. Terror heißt Schrecken - und der ist auch ganz ohne Anschläge zu haben. Wir sollten da nicht mitmachen.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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