DIE STIMMEN DER ANDEREN
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■ La Stampa (Italien)

Libyen ist anders

Libyen ist in den Jahrzehnten des Gaddafi-Regimes ein weltlicher Puffer gewesen, umgeben von Ländern, in denen der islamische Fundamentalismus Wurzeln geschlagen hat. Aber auch die Revolte von Bengasi vor fünf Jahren war interpretiert worden als ein versuchter Aufstand fundamentalistischer Kreise. Alles in allem, um es mit dem italienischen Innenminister Roberto Maroni zu sagen: Wenn es tatsächlich so ist, dass der Maghreb jetzt sein 1989 erlebt, dann kommt aus Tripolis die Botschaft, dass das Regime auf festem Boden steht.

■ Financial Times (Großbritannien)

Bahrainische Revolutionäre

Sollte Bahrains Herrscherfamilie al-Chalifa darauf abzielen, eine Bewegung, die schlicht eine parlamentarische Monarchie etablieren will, zu einer zivilen Revolte nach ägyptischem Vorbild zu machen, die das Regime stürzen will, ist sie genau auf dem richtigen Weg. Die Angriffe von Sicherheitskräften auf Demonstranten ist genau die Art von unverblümtem Mitteln, die es braucht, um aus Reformern Revolutionäre zu machen.

■ La Voix du Nord (Frankreich)

Iranische Version von „Hau ab“

Die Schockwelle, die von Tunesien nach Kairo geschwappt ist, erschüttert heute Gaddafis Libyen. Auch im Emirat Bahrain und im Jemen droht der Druck, den Deckel zu sprengen. Und auf der anderen Seite des Persischen Golfs bebt seit Montag die Erde. Das iranische Volk braucht viel Mut, um wieder auf die Straße zu gehen. „Ben Ali, Mubarak, nun ist Seyed Ali an der Reihe“, riefen am Montag die Demonstranten in Teheran – und sie meinten damit Ali Chamenei. Dies ist die persische Version des „Hau ab“, das wir in Tunis und Kairo hören konnten. Der Unterschied ist, dass dieser Slogan in Teheran zum Henker führen kann.

■ Corriere della sera (Italien)

Die lässliche Sünde des Herrn Guttenberg

Dass ein solcher Fall diese Bedeutung erhält, wäre in unserem Land nur schwer vorstellbar. Episoden dieser Art haben in Italien nie einen vergleichbaren Skandal ausgelöst wie der, in den sich jetzt der deutsche Verteidigungsminister verwickelt sieht. Wie wir alle wissen, liegt das daran, dass in Italien die Vorstellung ziemlich verbreitet ist, wonach das Abschreiben im Grund ein geringfügiges Vergehen sei. Nach der Hierarchie der Werte und der Unwerte, die tief in unserer Kultur verwurzelt sind, bedeutet das Abschreiben schlimmstenfalls eine lässliche Sünde. Und diese erfährt keine soziale Missbilligung.

■ Neue Zürcher Zeitung (Schweiz)

Eigene Worte zwingend

In vielen Fällen – nicht nur bei Plagiaten, sondern auch bei Ghostwriting – ist Überforderung die Ursache für das Fehlverhalten. Wissenschaftliche Arbeiten fließen selten wie von selbst aus der Feder. „Ablenkungen“, welcher Art auch immer, mögen als Erklärung für unkorrektes Verhalten taugen, nicht aber als Entschuldigung. Und schon gar nicht, wenn wie im Fall zu Guttenbergs schon in der Einleitung zwei lange Abschnitte abgeschrieben wurden; dort also, wo der eigene Standpunkt erklärt und die Arbeit legitimiert werden sollte. Eigene Worte sind an dieser Stelle zwingend.

■ Rzeczpospolita (Polen)

Deutsche Superprotestanten

In Deutschland, wo der Protestantismus einen starken Einfluss hatte und immer noch hat, wird der Lügenvorwurf außerordentlich ernst genommen. Schadenfreude, die viele Kommentatoren des Skandals demonstrieren, ist eine Reaktion auf das Phänomen des Wunderkindes Guttenberg. Bildhübsche, blonde Ehefrau, tadellose Manieren und nur leicht verborgene Kanzlerambitionen riefen bei einer Palette von Feinden Abneigung gegen ihn hervor. Viele Rivalen träumen nun davon, ihn im Aus zu sehen.