NICOLA GLASS ÜBER THAILANDS UMSTRITTENES AMNESTIEGESETZ
: Opfer bleiben ungesühnt

Die Wut über Thailands Amnestiegesetz kocht derzeit über. Nicht nur die Opposition protestiert dagegen, sondern auch Unterstützer der Regierung von Premierministerin Yingluck Shinawatra. Der zu einer Generalamnestie ausgeweitete Entwurf, verabschiedet nach einer Marathonsitzung des Parlaments, ist ein Blankoscheck für alle hochrangigen Politiker, Militärs und Anführer von Protesten der vergangenen zehn Jahre.

Die Amnestie schließt diejenigen ein, die 2010 mitverantwortlich waren für die politische Gewalt auf Bangkoks Straßen. Im Mai jenes Jahres hatte die Armee die Demonstrationen der „Rothemden“ auf Befehl der damaligen Regierung unter Abhisit Vejjajiva niedergeschlagen. Nicht zuletzt gilt die Amnestie für den 2006 vom Militär gestürzten Thaksin Shinawatra, dem die Regierung die Rückkehr ebnen will – zum Unmut der Opposition.

Das Perfide ist, dass die Generalamnestie keineswegs der Aussöhnung dient, wie die Regierung behauptet. Zumal sowohl die Armeespitze als auch Abhisit Vejjajiva, heute Oppositionsführer, keine Amnestie wollen. Letzterer hat erklärt, er werde die inzwischen gegen ihn anhängigen Mordanklagen vor Gericht klären.

Damit verkommt die Amnestie zu einem Instrumentarium, mit dem die Regierung in menschenverachtender Manier demonstriert, dass es ihr nur auf die Rückkehr Thaksins ankommt. Letztlich bedeutet das, dass politische Gewalt, wie schon so oft in Thailand, erneut ungesühnt bleibt und die Opfer niemals Gerechtigkeit erfahren werden.

Das bittere Nachsehen haben die Angehörigen der Toten, darunter „Rothemden“, die 2010 für demokratische Neuwahlen auf die Straßen gegangen sind und dafür mit ihrem Leben bezahlt haben. Damit verrät die Yingluck-Regierung ihre eigene politische Basis.

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