GEHT’S NOCH?
: Ochsenfrosch Mappus

LICHT IM STUTTGART-21-TUNNEL: NEU AUFGETAUCHTE E-MAILS BELASTEN BADEN-WÜRTTEMBERGS EXMINISTERPRÄSIDENTEN

Donnerstagnacht ist in Stuttgart eine gewaltig große Tunnelbohrmaschine an ihren Bestimmungsort transportiert worden. 170 Tonnen schwer, von 300 Polizisten und 200 Demonstranten begleitet. Sie ist pünktlich am Ziel angekommen, verletzt wurde niemand.

Wäre in Baden-Württemberg nicht vor gut zwei Jahren eine neue Regierung gewählt worden, hätte diese Nacht das Potenzial gehabt, zum schwarzen Freitag (dem 13.!) zu werden, rechtmäßiger Nachfolger des schwarzen Donnerstag am 30. September 2010. Aber der Dirigent der Niederschlagung des S-21-Protestes ist weg. Dass das möglich ist, hätte der Sonnenkönig wohl selbst nicht geglaubt. Auch nicht, dass seine Spielchen die dicken Mauern des Staatsministeriums verlassen würden. Die Realität kann überraschend sein.

Diese Woche sind E-Mails von und an Baden-Württembergs ehemaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus bekanntgeworden, die nahelegen, dass Dokumente, die im weitesten Sinne mit dem menschenverachtenden Polizeieinsatz zu tun hatten, frisiert wurden, bevor der erste Untersuchungsausschuss sie zu Gesicht bekam, der den Einsatz und seine Hintergründe aufarbeiten sollte. Nun wird es einen neuen Ausschuss geben.

Mappus hat sich angemaßt, die Wahrheit nach seinem Gusto auszulegen. Und wenn er es nicht selbst war und auch nichts davon wusste – und es Gott bewahre natürlich auch nicht befohlen hat – dann darf man fragen: Wie gesetzesaffin müssen Berater und Mitarbeiter eines Ministerpräsidenten eigentlich sein? Den Ratschlag für das Verhalten gegenüber dem Untersuchungsausschuss, das auf Verschleierung statt auf Transparenz setzte, hätte sich Mappus genauso gut im Besuchsraum einer Justizvollzugsanstalt abholen können – auch eine Einrichtung mit dicken Mauern.

Mappus hat sich für einen Longseller gehalten. Wie sein Vorgänger, Vorbild und Förderer Erwin Teufel: 14 Jahre an der Macht, dann schnell der Demontage mit einem Rücktritt zuvorkommen. Es gibt diese Fabel, die von einem Frosch erzählt, der so groß, so mächtig, so schwer wie der Ochse sein wollte. Er blies sich auf und merkte nicht, dass er dadurch nicht an Gewicht gewann – ganz im Gegenteil. Es kam, wie es kommen musste: Er platzte. LENA MÜSSIGMANN