BERND PICKERT ÜBER DEN GAZAKRIEG
: Das Recht des Stärkeren

Wer im Krieg Waffen einsetzt, ist dafür verantwortlich, was er damit anrichtet. Was im Rahmen der Kriegführung gestattet ist – und vor allem: was nicht –, regelt das humanitäre Völkerrecht, hier insbesondere die vier Genfer Kriegsrechtskonventionen. Ihr Ziel: Schutz der Zivilbevölkerung. Im Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs gelten als Kriegsverbrechen unter anderem „vorsätzliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung als solche“, „vorsätzliche Angriffe auf zivile Objekte“ und „vorsätzliches Führen eines Angriffs in der Kenntnis, dass dieser auch Verluste an Menschenleben, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte […] verursachen wird, die eindeutig in keinem Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen“. Wie man es auch dreht und wendet: Israels Militäroperation im Gazastreifen ist ein Kriegsverbrechen.

Dem gehen mindestens zwei weitere Kriegsverbrechen voraus: Das Abfeuern vollkommen unpräziser Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel ist ebenso ein klarer Verstoß gegen das Gebot, Zivilbevölkerung zu schützen, wie die Unterbringung militärischer Strukturen in dichtbesiedeltem Stadtgebiet und zivilen Einrichtungen. Das allein berechtigt Israel allerdings in keinem Fall dazu, deshalb zivile Einrichtungen per se als legitime militärische Ziele anzusehen. Alle Berichte, die derzeit aus dem Gazastreifen herauskommen, stimmen jedoch darin überein, dass genau das der Fall ist – ob es die Zerstörung von über 1.000 Wohnhäusern ist, die Angriffe auf Schulen, Krankenstationen oder UN-Einrichtungen oder die Zerstörung des einzigen Elektrizitätswerks.

Ein Recht, Verbrechen mit Verbrechen zu bekämpfen, gibt es nicht. Was die Welt in Gaza erlebt, ist die Durchsetzung des Rechts des Stärkeren.

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