Stotterstart der Umweltzonen

Unkontrolliert in Hannover, verschoben in Bremen, umstritten in Lübeck und in Osnabrück, noch ungeprüft in Hamburg: Die Innenstadt-Fahrverbote sind in Norddeutschland nur ganz langsam auf dem Vormarsch. Überall stoßen sie auf Widerstand

Die deutschen Kommunen dürfen in Ballungsräumen Umweltzonen einrichten, um in diesen die Feinstaub- und Stickoxidbelastung zu reduzieren. Fahrzeuge, die nicht unter spezielle Ausnahmeregelungen fallen, dürfen in die ausgeschilderten Umweltzonen nicht ohne Schadstoffplakette einfahren. Ein Stufenplan sieht eine Ausweitung des Fahrverbots in zeitlichem Rhythmus vor, so dass nach der ersten Stufe (Fahrverbot von Fahrzeugen der Schadstoffgruppe 1) in einer zweiten Stufe auch die Fahrzeuge mit roten Plaketten und in einer dritten Stufe auch die Fahrzeuge mit gelben Plaketten von einem Fahrverbot betroffen sein werden. In der Umweltzone Hannover werden so ab 1. Januar 2009 nur noch Fahrzeuge mit gelber und grüner Plakette, ab 1. Januar 2010 schließlich nur noch Fahrzeuge mit grüner Plakette fahren dürfen. Alle Kraftfahrzeuge mit ausländischen Kennzeichen sind bis Ende 2008 vom Verbot ausgenommen. TAZ

VON MARCO CARINI

Der Start ist holperig. Zwar wurde zu Anfang des Jahres die Innenstadt von Hannover zur Umweltzone erklärt, die nur noch von Fahrzeugen befahren werden darf, die über eine Feinstaubplakette verfügen, doch Verstöße gegen die Plakettenpflicht wurden zunächst nicht geahndet. Seit dem 1. Mai müssen plakettenlose Autofahrer nun mit einem Bußgeld von 40 Euro rechnen – oder auch nicht.

In den ersten zwei Wochen stellten die Ordnungshüter nur ganze vier Plaketten-Knöllchen aus. Während der umweltpolitische Sprecher der SPD-Ratsfraktion, Manfred Müller ausgemacht hat, dass „die Polizei nur unwillig kontrolliert“, spricht die Deutsche Umwelthilfe bereits von „einer Posse“.

Doch nach Auffassung des Hannoverschen Rechtsdezernenten, Marc Hansmann, sieht die gültige Verordnung einfach nicht vor, in der Umweltzone parkende Wagen ohne Plakette mit einem Strafmandat zu versehen. Schließlich sei es ja nur verboten, in der Zone ohne den Umweltsticker zu fahren. In Berlin, wo eine entsprechende Verordnung anders ausgelegt wird, werden hingegen pro Woche rund 1.000 Knöllchen an plakettenlose Cityparker verteilt.

Immerhin: Laut übereinstimmender Zählungen der Verkehrsbehörde und der Umwelthilfe verfügen inzwischen knapp über 90 Prozent der Fahrzeuge, die die Umweltzone der niedersächsischen Landeshauptstadt passieren, über das notwendige Label. Die meisten Plakettensünder haben zudem kein Hannoverisches Kennzeichen.

Stottert nur die Kontrolle der Umweltzone in Hannover, stottert ihre ganze Einführung in Bremen. Im Dauerclinch: Wirtschaftssenator Ralf Nagel (SPD) – der den Zuliefererverkehr behindert sieht – und der grüne Umweltsenator Reinhard Loske. Vor wenigen Tagen einigten sich die Spitzen der rot-grünen Koalition nun darauf, die für den kommenden Herbst geplante Einrichtung der Fahrverbotszone für automobile Schadstoffschleudern mit zahlreichen Lockerungen zu versehen und auf Januar 2009 zu vertagen.

Auch in Osnabrück ist die Einrichtung einer Umweltzone seit längerem im Gespräch: Sie könnte ab Juli 2009 kommen und 17 Quadratkilometer messen. Doch noch bevor das Konzept Konturen erhalten und die politischen Gremien passiert hat, stößt es schon auf entschiedenen Widerstand. So schoss sich prompt die Industrie- und Handelskammer (IHK) auf das Plaketten-Projekt ein. „Unnötig, überflüssig und teuer“, kanzelt der Osnabrücker IHK-Hauptgeschäftsführer Hubert Dinger die geplante Umweltzone ab.

Im schleswig-holsteinischen Lübeck eröffnete der dortige Umweltsenator Thorsten Geißler (CDU) die Diskussion um die Einrichtung einer Umweltzone in der Altstadt am Pfingstwochenende. „Da wir den abgesenkten EU-Grenzwert für Stickoxide ab 2010 nicht einhalten können müssen wir spätestens ab 2011 Gegenmaßnahmen treffen“, sagt Geißler. Allerdings gäbe es zur Umweltzone auch Alternativen. So könnte ein Verkehrsleitsystem an Tagen mit hoher Schadstoffbelastung den Verkehr um die Lübecker Innenstadt herumführen oder diese für alle Autofahrer, die nicht in der Alstadtinsel leben, komplett gesperrt werden.

„Wir müssen das Gespräch mit den Lübeckern suchen“, gibt Geißler den Kurs vor. Hier zeichnet sich eine Mehrheit für die Umweltzone ab. Bei einer nicht repräsentativen Online-Abstimmung der Lübecker Nachrichten, an der sich bis gestern 630 Menschen beteiligten, votierten mehr als 63 Prozent für und nur knapp 36 Prozent gegen die Innenstadt-Fahrverbote für mobile Schadstoffschleudern.

Während sich CDU und SPD beim Thema reserviert zeigen, haben die Grünen die Umweltzone in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Die Linke sieht in der Umweltzone „Keine Alternative zu einer Verkehrsberuhigung in der Innenstadt“. Ihr Kreisvorsitzender Ragnar Lüttke betont: „Wir plädieren für eine Ausdehnung der Fußgängerzone um den Durchgangsverkehr aus der Innenstadt zu drängen.“ Reflexhaft hingegen die Ablehnung der Autolobby. ADAC-Sprecher Ulf Evert: „Ein untaugliches Mittel.“

Ruhe vor dem Proteststurm herrscht noch in Hamburg. Hier vereinbarten CDU und GAL in ihrem Koalitionsvertrag, innerhalb der kommenden vier Jahre eine Umweltzone einzurichten. Wo diese entstehen soll und wie sie aussehen wird, steht aber noch in den Sternen.