Schon ab 14 Jahren den Stadtrat wählen

Um etwas gegen sinkende Wahlbeteiligung und wachsende Distanz Jugendlicher zur Politik zu tun, fordern die niedersächsischen Grünen ein Kommunalwahlrecht für Teenager. CDU, SPD und FDP sind dagegen

„Die CDU war schon 1995 gegen die Absenkung auf 16 Jahre, nun haben wir sie“, sagte die Grünen-Abgeordnete im Landtag in Hannover, Miriam Staudte. „Und ist die Welt untergegangen?“ Zum ersten Mal debattierte am Mittwoch ein deutsches Parlament darüber, dass auch 14-Jährige bei Kommunalwahlen mitstimmen dürfen. Sie wolle etwas gegen die Distanz junger Menschen zur Politik tun und „der wachsenden Kultur des Nichtwählens entgegenwirken“, so Staudte. Bei der vergangenen Landtagswahl war die Wahlbeteiligung der über 18-Jährigen auf den historischen Rekord von 57 Prozent abgesackt.

Mit 14 werde man straf- und religionsmündig und könne Mitglied in Parteien werden, sagte Staudte. „Kreuzchen machen“, um Bürgermeister, Stadträte und Kreistage zu bestimmen, überfordere Jugendliche da keineswegs. 370.000 Niedersachsen zwischen 14 und 17-Jahren gibt es derzeit.

Staudte zitierte den Bielefelder Jugendforscher Klaus Hurrelmann, der bereits bei Zwölfjährigen „eine grundsätzliche soziale und moralische Urteilsfähigkeit“ sowie „stabile intellektuelle Basis“ erreicht sieht. Für Knirpse an den Urnen ist auch der Landesjugendring: Wegen der demographischen Entwicklung verschwänden Jugendliche aus dem Blickfeld der Politik, sagte Vorstandssprecher Martin Richter. Die Parteien richteten ihre Politik jetzt schon „vor allem nach den Zielgruppen aus, die die meisten Stimmen bringen, und das sind schon heute die Älteren“.

Dennoch werden sich die Grünen kaum durchsetzen. Für eine Änderung des Wahlrechts ist eine Zweidrittelmehrheit im Plenum nötig. Wohlwollen kam nur von der Linken: Er habe nichts dagegen, die uralte Forderung „Ein Mann, eine Stimme“ auf „Ein Mensch, eine Stimme“ zu erweitern, sagte ihr Fraktionschef Manfred Sohn.

Auch 14-Jährige hätten Interesse an Politik, das hieße aber nicht, dass sie „die zunehmend komplexer werdenden Inhalte verstehen“ könnten, sagte Thomas Adasch (CDU). Das Wahlrecht dürfe kein „Spielball für politische Experimente“ sein. Grant Hendrik Tonne (SPD) bezweifelte, „dass wir Jugendliche für Politik begeistern können, wenn wir sie alle fünf Jahre zur Wahlurne schicken“ und warb ansonsten für mehr konkrete Einflussmöglichkeiten von Jugendlichen etwa beim Bau von Spielplätzen.

CDU und SPD wie auch Roland Zielke (FDP) warfen den Grünen „Populismus“ vor. Zielke fragte, wieso man nicht schon mit 14 anstatt wie bisher mit 40 Jahren zum Bundespräsidenten gewählt werden könne: „Es gab früher doch auch Kinder auf dem Königsthron.“ Hier drohe eine „Infantilisierung der Politik“. Und schließlich habe sich die Zahl straffälliger Jugendlicher in den letzten Jahrzehnten drastisch erhöht, sagte der Liberale: „Irgendwie passt das nicht zusammen.“ KAI SCHÖNEBERG