Einraum jetzt wieder mit Rauchern

In kleinen Kneipen in Niedersachsen darf bald wieder gequalmt werden. Das totale Rauchverbot, das nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts drohte, ist damit auf Druck der FDP vom Tisch, eine einheitliche Nord-Regelung auch

In Schleswig-Holstein, Bremen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts am vorigen Mittwoch das Rauchen in kleinen Kneipen bis 75 Quadratmeter unverzüglich vorläufig wieder gestattet worden. Zugleich sprach sich Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) für eine bundesweit einheitliche Regelung zum Rauchverbot aus und stellte klar: „Zumindest auf der Ebene der norddeutschen Länder wollen wir dieses Ziel erreichen.“ Dabei solle ein „möglichst umfassender Nichtraucherschutz ohne Ausnahmen“ erreicht werden, kündigte Gesundheitsministerin Gitta Trauernicht (SPD) an. Als Vorsitzende der deutschen Gesundheitsministerkonferenz will sie das Thema federführend bearbeiten. In den Stadtstaaten Hamburg und Bremen haben sich Allparteien-Koalitionen von CDU bis Linke gegen den blauen Dunst gebildet. Sie tendieren zu strikten Anti-Raucher-Gesetzen ohne Ausnahmen. Uneins ist sich noch die große Koalition in Mecklenburg-Vorpommern. Gesundheitsminister Erwin Sellering (SPD) hat ein absolutes Rauchverbot gefordert, CDU-Fraktionschef Armin Jäger hingegen hat das abgelehnt. Parallel suchen die SPD-geführten Länder nach einer gemeinsamen Linie. Bremen und Mecklenburg-Vorpommern wollen sich Anfang September zu Beratungen mit Berlin, Brandenburg und Rheinland-Pfalz treffen. Es gehe darum, ob man ein striktes Rauchverbot durchsetze oder weitere Ausnahmen auch für Eckkneipen zulasse. SMV

VON KAI SCHÖNEBERG

In vielen niedersächsischen Einraum-Kneipen soll künftig wieder geraucht werden dürfen. Nur wenige Tage nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts preschte Gesundheitsministerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU) am Dienstag in Hannover mit einem neuen Gesetzesplan vor, der die Vorgaben der Karlsruher Richter „eins zu eins“ umsetzen soll: In Bars mit weniger als 75 Quadratmetern Fläche, die keine Speisen anbieten und keine jugendlichen Gäste haben, soll das Paffen wieder zulässig sein. Von etwa 28.000 gastronomischen Betrieben in Niedersachsen haben rund 2.000 nur einen Gastraum.

Sie habe zwar für ein striktes Rauchverbot, wie es die Verfassungsrichter angeregt hatten, sehr hohe Sympathien, sagte die Ministerin. Aber dann wären die Investitionen für Trennwände umsonst gewesen, die viele Gastronomen größerer Etablissements bereits wegen des seit einem Jahr geltenden Nichtraucherschutzgesetzes getätigt hatten. Zudem heißt der Koalitionspartner FDP. Hier raucht zwar kaum jemand. Dennoch freuten sich die Liberalen, dass bald „kleine Eckkneipen und deren Kunden über das Rauchen selber entscheiden“ könnten. Das absolute Rauchverbot, wie es in Bayern gilt, sei „vom Tisch“, jubelte FDP-Landeschef Philipp Rösler.

Die Bundesländer haben zwar laut Verfassungsgericht bis Ende 2009 für neue Gesetze Zeit. Niedersachsen will jedoch schnell machen – offenbar, damit die nun geplante neue Raucher-Regelung nicht zerredet werden kann. Nach Konferenzen der Gesundheitsminister und Ministerpräsidenten, auf denen der Nichtraucherschutz debattiert werden soll, werde das Gesetz bereits im Oktober oder November dem Landtag vorgelegt, sagte Ross-Luttmann.

Damit verbaut sie sich eine abstimmungsintensive bundeseinheitliche Lösung, an die die Niedersachsen ohnehin nicht mehr glauben. „Vielleicht kann es in Norddeutschland im Verbund zu einer Lösung kommen“, sagte Ross-Luttmann. Auch das erscheint jedoch wenig wahrscheinlich (siehe Kasten).

Die Grüne Fraktions-Vizin Ursula Helmhold warf Ross-Luttmann vor, „einmal mehr vor Ministerpräsident Wulff und dem Koalitionspartner FDP eingeknickt zu sein“, die ihre Linie der Aufweichung des Nichtraucherschutzes durch viele Ausnahmen beibehalten würden. „Mit dem jetzt entstandenen Flickenteppich an Ausnahmeregelungen ist niemandem gedient: weder dem Gesundheitsschutz, noch den Gastwirten“, sagte die Grüne.

Das „Einknicken“ Ross-Luttmanns rügte auch SPD: „Wirtschaftliche Interessen sind der Landesregierung wichtiger als Nichtraucherschutz“, sagte Sozialexperte Uwe Scharz. Das Land torpediere „alle Versuche, die Gefahren des blauen Dunstes wirkungsvoll einzudämmen.“

Eine von der FDP und Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) zunächst befürwortete lockere Nichtraucherschutzregelung war erst nach wütenden Bürgerprotesten zugunsten des nun für verfassungswidrig erklärten Gesetzes gekippt worden. FDP-Mann Rösler kündigte jedoch weitere Erleichterungen für Qualmer nach der für Ende 2009 vorgesehenen Evaluation des Nichtraucherschutzgesetzes an. Dann werde sich zeigen, „dass weitere Ausnahmen vom Rauchverbot für Festzelte und geschlossene Gesellschaften für unsere Gastwirte notwendig sind“. Am Dienstag sahen das offenbar auch die FDP-Minister im Kabinett noch anders: „Wir waren uns im Kabinett einig“, sagte Ross-Luttmann, „dass an Festzelten nicht gerüttelt wird.“