Demonstrativer Schulterschluss

ANTI-ATOM-BEWEGUNG Bundestagsfraktion und Parteivorstand der Grünen tagen in Gorleben. Parteichefin Roth geißelt schwarz-gelben „Atomlobby-Kurs“ und rechnet mit mehr Protest gegen den Castor denn je

Die AKW-Gegner im Wendland hatten 2001 den „Atomkompromiss“ scharf kritisiert

Die Grünen wollen sich wieder mit der Anti-Atom-Bewegung vertragen: Gestern trafen sich die Bundestagsfraktion und der Parteivorstand symbolträchtig zu einer teils öffentlichen Sondersitzung in Gorleben. Auch andere Spitzen-Grüne wie die Europaabgeordnete Rebecca Harms und der niedersächsische Fraktionschef Stefan Wenzel waren ins Wendland gereist.

Die Parteivorsitzende Claudia Roth kündigte einen Schulterschluss gegen den bevorstehenden Castortransport an. „Wir rechnen mit mehr breitem Widerstand als je zuvor.“ Die schwarz-gelbe Bundesregierung versuche, „gnadenlos den Atomlobby-Kurs durchzuzocken“. Roth sagte, ihre Partei werde das Recht auf Widerstand in einer lebendigen Demokratie verteidigen und sich dabei stets für gewaltfreien Protest einsetzen.

Mit Blick auf das am Freitag beendete Moratorium für die Erkundung des Salzstocks Gorleben als Atommüllendlager sprach Fraktionschef Jürgen Trittin erneut von einem „Schwarzbau“. Der Salzstock solle nicht untersucht, sondern schon zum Endlager gemacht werden. Die selben Vorwürfe erhebt auch die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg.

So viel Harmonie war nicht immer: Gerade die AKW-Gegner im Wendland hatten den im Jahr 2000 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung mit den Energiekonzernen ausgehandelten „Atomkompromiss“ scharf kritisiert. Von einem „Dorn im Auge“ sprach noch vor kurzem BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. SPD und Grüne hätten seinerzeit den störungsfreien Betrieb der AKW garantiert und sich sogar die angebliche „Eignungshöffigkeit“ von Gorleben in den Vertragstext hineindiktieren lassen.

Übel stieß Anti-Atombewegten auch auf, dass Trittin persönlich 2001 die Castorproteste in Gorleben für überflüssig erklärt hatte: Es gebe für Grüne keinen Grund, gegen diese Transporte zu demonstrieren, schrieb er damals. Viele Lüchow-Dannenberger Umweltschützer verließen die Grünen wegen der Atom-Politik, darunter war auch die langjährige BI-Vorsitzende Marianne Fritzen.

Auch demonstriert wurde gestern in Gorleben: Einige Dutzend Aktivisten blockierten kurzzeitig die Zufahrt zu einer Polizeistation. Sie protestierten dagegen, dass fünf AKW-Gegner bereits vor dem Castor-Transport erkennungsdienstlich behandelt werden sollten. REIMAR PAUL