Die Polizei, dein Freund und Sender

MEDIEN Am Samstag wird es keine Berichterstattung der Freien Radioinitiative über den Lübecker Neonazi-Aufmarsch im Offenen Kanal geben. Stattdessen senden Funktionäre der Gewerkschaft der Polizei

„Ein Präzedenzfall staatlicher Übernahme von Medien“

LARS RATHJE-JUHL, FREIE RADIOINI

Wer am heutigen Samstag im Radio auf der Frequenz des Offenen Kanals Lübeck die Ereignisse rund um den als Trauermarsch deklarierten Neonazi-Aufmarsch verfolgt, muss aufpassen. Denn die Berichterstattung wird nicht wie in den Vorjahren von den Reportern der Freien Radioinitiative Schleswig-Holstein erfolgen, sondern von Funktionären der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Das Verwaltungsgericht Schleswig hat eine Klage abgelehnt, die beiden GdP-Reporter aus dem Demo-Programm zu verbannen.

Allein aus der Tatsache, dass zwei Polizisten das Programm gestalteten, sei nicht abzuleiten, dass diese im Auftrag der Polizeibehörde handeln würden, befanden die Richter und lehnte einen Eilantrag des Hamburger Anwalts Steffen Sauter im Auftrag der Initiative ab. „Ich muss nach dem Gesetz handeln“, verteidigt der Chef des Offenen Kanals Lübeck, Peter Willers, seine „Kompromisslösung“. Willers hatte vorgeschlagen, nachdem der Vize-GdP-Landes-Chef, Manfred Börner den Antrag gestellt hatte, im Bürgerfunk über die „Kolleginnen und Kollegen im Einsatz“ zu informieren, dass beide Reporterteams stündlich abwechselnd über die Proteste und den Polizeieinsatz beim Naziaufmarsch berichten. Darauf wollte sich die Initiative aber nicht einlassen und verwies auf die gebotene Staatsferne im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. „Die seit August angemeldete und redaktionell vorbereitete, umfassende Berichterstattung wird nun nicht stattfinden“, sagt Lars Rathje-Juhl von der Freien Radioinitiative.

Aufgrund der „Polizei-Eigen-Publizität auf den Wellen des Offenen Kanals“ sei ein solcher „Rückzug unumgänglich, da sonst der Einduck entstehe, diese wäre durch die unabhängige Berichterstattung ummantelt und legitimiert“, sagt Rathje-Juhl. „Tatsächlich ist ein Präzedenzfall staatlicher Übernahme von Medien geschaffen.“  KAI VON APPEN