Wahlkampf: "Wir werden ein fettes Ergebnis holen"

Schleswig-Holsteins grüner Spitzenkandidat Robert Habeck im Interview über eigene Ernsthaftigkeit, unseriöse Wahlversprechen und seine Abneigung gegen Krawatten.

Mag keine Schlipse, will aber in Schleswig-Holstein regieren: Der Grüne Robert Habeck Bild: dapd

taz: Herr Habeck, wollen die Grünen nach der Landtagswahl an diesem Sonntag regieren?

Robert Habeck: Logo.

Mit wem?

Mit der SPD.

Warum?

Weil wir mit der SPD die Auffassung teilen, dass eine Gesellschaft über funktionierende öffentliche Güter, Bildung vor allem, verfügen muss.

Die schwarz-grüne Option, die Sie sich lange offengehalten haben, gibt es also nicht mehr?

42, verheiratet, vier Söhne, promovierter Philosoph, freier Schriftsteller, Politiker.

Partei: 2004 bis 2009 Landesvorsitzender der Grünen in Schleswig-Holstein, seitdem Fraktionschef der Grünen im Landtag.

Ziele: Will das Land zwischen den Meeren auch nach der Energiewende weiter modernisieren, am liebsten als Vize-Regierungschef in einer rot-grünen Koalition.

Chancen: Geht so. Jüngste Umfragen sehen CDU und SPD mit je 31 Prozent gleichauf, Grüne 13, Piraten 9, FDP 7, SSW 4, Linke 2,5 Prozent.

Koalition: Eine "Dänenampel" aus SPD, Grünen und dem von der Fünf-Prozent-Hürde befreiten SSW käme auf 48 Prozent gegenüber CDU, Piraten und FDP mit zusammen 47 Prozent.

Alternative: Große Koalition - ob Schwarz-Rot oder Rot-Schwarz.

Das wendete sich zuallererst gegen das Ritual, Macht über Inhalte zu stellen. Im Wahlkampf aber ist deutlich geworden, dass die CDU wieder die Schlachten von früher schlägt. Sie hat zunächst Investitionen in den Bildungsbereich als „charakterlose Schuldenmacherei“ beschimpft, jetzt traktiert sie das Land mit Unwahrheiten: „Einheitsschule“, „Schuldenstaat“, „Dörfer auflösen“ – es geht steil bergab mit der Union und ihrem Wahlkampf.

Die SPD ist in vielen Punkten sehr vage, außer beim Geldausgeben. Was reizt die Grünen denn daran?

Stimmt schon, ein Selbstgänger ist das nicht. Und es ist auch überhaupt nicht sicher, dass wir die Differenzen lösen können. Etwa bei der Ökologie und der Energiewende: Zu beiden Themen hat die SPD überhaupt kein Verhältnis. Und bei den Finanzen sehe ich nicht, dass wir das Geld haben, um die SPD-Wahlversprechen – kostenlose Kita, 120 Millionen Zuschüsse an die Kommunen und ähnliche hübsche Dinge – zu bezahlen.

Ihr Wunsch-Koalitionspartner verspricht Unbezahlbares?

Wie das gehen soll, muss die SPD erklären. Wir Grüne bleiben ernsthaft und wollen mehr halten, als wir versprechen.

Wenn Sie ernsthaft bleiben wollen, müssten Sie eine Ampelkoalition – falls rechnerisch erforderlich – mit SPD und FDP ausschließen?

Falls die FDP es wieder in den Landtag schaffen sollte, ist sie die letzte Partei, die in einer Regierung gebraucht würde.

Wenn zu dritt, dann also die so genannte Dänenampel mit dem Südschleswigschen Wählerband SSW?

Der SSW ist eine vollwertige politische Kraft in Schleswig-Holstein. Wir haben mit ihm in der Opposition gut zusammengearbeitet. Auch zu ihm gibt es aber Differenzen, vor allem, was die norddeutsche Zusammenarbeit angeht und die Überwindung des Bildungsföderalismus. Aber 2005 haben wir uns auch schon mal geeinigt.

Fürchtet die CDU genau das und spricht dem SSW als Minderheitenpartei deshalb das Recht auf eine Koalition ab?

Die Union führt eine Schmähkampagne und stellt damit ihre eigene Geschichte und die des Landes in Frage. An der Minderheitenpolitik macht sich das Selbstverständnis Schleswig-Holsteins fest. Formulierungen wie „rot-grüne Steigbügelhalter“ spielen mit Ressentiments und rühren an das demokratische Grundverständnis. Sie sind für mich nicht akzeptabel.

Vor einem Jahr, nach Fukushima, sagten Sie im taz-Interview, die Gesellschaft wachse auf die Grünen zu. Sehen Sie das heute immer noch so?

Eindeutig ja. Viele unserer Themen sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen: Nachhaltigkeit, Ressourcenschutz, Verbraucherschutz, Energiewende, Bürgerrechte, Zuwanderung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf – was vor wenigen Jahren noch als alternativer Spinnkram diffamiert wurde, ist inzwischen mehrheitsfähig.

Machen die Grünen sich dann nicht überflüssig?

Wenn die Gesellschaft durchgrünt ist, ist das eben so. Die Grünen sind ja kein Selbstzweck. Ich sehe nur nicht, dass dieser Punkt bereits erreicht ist. Und es kommen ja stets neue Herausforderung hinzu, Europa etwa.

Die Wählerzustimmung, die vor einem Jahr um die 20 Prozent lag, ist inzwischen auf etwa 13 Prozent geschrumpft.

Stimmt, aber das ändert nichts an dem Befund. Es sagt nur, dass das Urheberrecht in der Politik auch nichts gilt. Dennoch werden wir ein fettes Ergebnis holen.

Trotz der Piraten, die den Grünen Wähler abspenstig machen?

Der Hype der Piraten hat sicher auch uns ein Prozent oder so gekostet. Ich sehe bei den Piraten zwar nicht, wie sie den Protest in Antworten ummünzen wollen, aber dann ist das eben so. Wir Grüne kämpfen gegen Atomkraftwerke, Betreuungsgeld, Steuersenkungen – die Piraten nicht mal gegen Google und Facebook. Ihre Politik richtet sich auf nichts, sondern kreist um sich selbst. Aber keine Antwort ist doch auch keine Lösung.

Sie sagten eingangs, Sie wollten regieren. Welche Ministerien hätten die Grünen gern?

Sie kennen das Sprichwort vom Bären und dem Fell? Allerdings ist es offensichtlich, dass man Umweltschutz und Energiewende nicht der SPD überlassen kann. Das muss in einem grün geführten Ministerium gebündelt werden.

Mit Robert Habeck als Minister?

Bär, Fell, Personal – in dieser Reihenfolge.

Politik ist ja kein Zuckerschlecken: Werden Sie als stellvertretender Ministerpräsident Ihren Widerstand gegen Krawatten aufgeben?

Harte Frage! Ich habe schon einmal eine getragen, bei der Bundespräsidentenwahl 2010. Aber für das Amt, das Sie mir gerade antragen, gilt: Erst ein gutes Wahlergebnis, dann viele grüne Resultate bei den Koalitionsverhandlungen, und dann reden wir über ein grünes Team, das das umsetzen soll – und dann meinetwegen auch über Krawatten.

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