Der Ex-Prinz

Eigentlich sollte sein Gesicht auf den Plakaten von Norderstedt bis Flensburg zu sehen sein, sollte er für „klare Kante“ und die konservative Zukunft des Landes stehen: Christian von Boetticher, den die CDU Schleswig-Holstein vor einem Jahr zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl am Sonntag wählte. Bereits im September 2010 war er zum Landesparteichef aufgestiegen, als Nachfolger des Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen. Der hatte den blassen Blonden stets gefördert – und zu seinem Kronprinzen erkoren.

Doch der hochgewachsene Adelige verkümmerte schnell zum Scheinriesen: In Landtagsdebatten setzte er kaum Akzente, auf Bundesebene fiel er nur mit dem verlorenen Kampf gegen die Aussetzung des Wehrdienstes auf. Und er verprellte die Basis, indem er wichtige Termine schwänzte.

So fiel der damals 40-jährige von Boetticher im vergangenen August schnell und hart über die Affäre mit einer 16-jährigen Schülerin: Vom Bekanntwerden der Vorwürfe bis zum Rücktritt verging kaum ein Wochenende. Unter Tränen bekannte er sich zu der Beziehung: „schlichtweg Liebe“ sei es gewesen – allerdings hatte er sich schon getrennt, um seine Karriere nicht zu gefährden.

Von Boetticher steht für konservative Werte: Der „Alte Herr“ einer schlagenden Verbindung durchlief eine Offiziersausbildung der Luftwaffe, bevor er in Kiel und Hamburg Jura studierte. Ab 1999 saß er im Europa-Parlament, 2005 berief Carstensen ihn als Landwirtschaftsminister, worauf von Boetticher geplante Naturschutzgebiete eindampfte und die Jagd auf Schwäne und Wiesel erlaubte. Von 2009 bis zu seinem Sturz leitete er die CDU-Landtagsfraktion.

Sich vorzeitig aus dem Parlament zurückziehen durfte von Boetticher nicht: Die schwarz-gelbe Regierung hätte sonst ihre knappe Mehrheit verloren. So blieb er als Hinterbänkler, der Landtagsreden zu Medienpolitik und Denkmalschutz hielt. Für den nächsten Landtag tritt er nicht wieder an.  EST