„Der Zug muss noch einmal entgleisen“

GELD Können Banken an Gewinnen jenseits monetär messbarer Rendite interessiert sein? Banken und Teilhabe – schließt sich das nicht aus? Die GLS Bank aus Bochum ist eine Good-Bank-Pionierin

■ geb. 1967, Studium der Volkswirtschaft und Politik. Er arbeitet unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, den Deutschlandfunk und den Westdeutschen Rundfunk.

taz: Herr Dohmen, wie kam es zu diesem Buch über die GLS Bank?

Caspar Dohmen: Ich beschäftige mich als Wirtschaftsjournalist schon lange mit Banken. Wenige Tage nach der Lehman-Pleite 2008 kam mein Buch „Let’s Make Money“ heraus, in dem ich beschrieb, wie gewöhnliche Banken mit Geld umgehen und welche Fehlentwicklungen es im Finanzsystem gibt. Bei Veranstaltungen fragten mich Besucher immer wieder: „Und was ist die Alternative?“ Das hat mich inspiriert, ausgehend von dieser ersten sozialökologischen Bank, einmal aufzuzeigen, wie ein anderes Bankgeschäft funktioniert, eines, bei dem es den Verantwortlichen um die Umsetzung sinnvoller Ideen geht. In gewisser Weise ist es also die Fortsetzung von „Let’s Make Money“.

Was ist denn die Fehlentwicklung, der gegengesteuert werden muss?

Für die meisten Menschen ist heute das alleinige Ziel unternehmerischer Tätigkeit der Gewinn. Dabei stellt das die Ökonomie auf den Kopf und führt zu großen Verwerfungen. Schließlich ist Ökonomie nur ein Mittel, um die Bedürfnisse von Menschen zu befriedigen. Vielen Anlegern geht es heute bei ihren Investitionen nicht mehr um Fortschritte in der realen Welt, sondern nur noch um eine kurzfristige Gewinnmaximierung durch Finanzanlagen. Es ist schon aberwitzig, dass wir heute überhaupt von der Realwirtschaft reden müssen, weil es im Finanzsektor einen abstrakten Bereich gibt, der sich völlig vom sinnvollen Wirtschaften losgelöst hat.

Was macht die GLS Bank denn anders?

Ganz wichtig ist, dass es der Bank um einen sinnvollen Umgang mit Geld und nicht um dessen Mehrung geht. Verantwortlich umgehen kann ein Bankkunde mit seinem Geld nur, wenn er weiß, was mit seinem Geld passiert. Bei dieser Bank können Kunden bestimmen, wofür das Geld auf ihrem Girokonto verwendet wird: für einen Kredit an einen Biohof, eine Schule oder für Mikrokredite. Die Bank veröffentlicht ihre Firmenkredite, sie legt ihre Anlagen offen, sie spekuliert nicht auf eigene Rechnung und ermuntert Kunden, auf Zinsen zu verzichten, wodurch ausgewählte Projekte Kredite zu günstigeren Zinsen erhalten können. Außerdem haben die Bankverantwortlichen immer wieder soziale Kreativität bewiesen, um Projekte umzusetzen, die sie für wichtig hielten. Bei der Gründung der GLS Bank ging es um eine Waldorfschule, die zunächst für den Bau eines Gebäudes keinen Kredit von herkömmlichen Banken erhielt. Der Bankgründer dachte sich damals das Konzept einer Bürgengemeinschaft aus: Die Eltern bürgten gemeinsam für einen Kredit, jeder für einen kleinen Teil, der ihn nicht überforderte. Gemeinsam erhielten sie den Kredit.

Im Buch wird das Finanzsystem mit einem Zug verglichen, der bald gegen die Wand fährt. Ist der noch aufzuhalten?

Ich glaube, bevor das Finanzsystem grundlegend wie in Bretton Woods nach dem Zweiten Weltkrieg geändert wird, muss der Zug noch einmal entgleisen. In der Finanzkrise war ich optimistischer. Da hat die Politik entschieden gehandelt, aber der Elan ist erlahmt. Und die Wirtschaft sperrt sich gegen ihren überfälligen Beitrag: So wollen sich die Banken bisher nicht freiwillig an einem Schuldenschnitt Griechenlands beteiligen. Wenn der Zug entgleist, dann sind Modelle wie das der GLS Bank wichtig, um ein anderes Finanzsystem aufzubauen. Dann könnte das Modell auch im größeren Umfang kopiert werden.

Die GLS Bank ist seit der Finanzkrise jährlich um mehr als 20 Prozent gewachsen. Lässt sich das Modell unbegrenzt erweitern?

Ob die Bank ihren Charakter bei einem anhaltenden Wachstum behält, wird man sehen. Besser wäre es, wenn sich viele solcher Banken bilden würden und eine dezentrale Bewegung entstünde – so wie es die Bankgründer wollten. Doch dies halte ich für ziemlich schwierig, allein schon weil es heute viel schwieriger ist, eine Bank zu gründen. Aber ich gebe auch nicht die Hoffnung auf, dass die Gesellschaft allen Banken andere Vorgaben macht. Wenn wir uns nun darauf einigen würden, auf bestimmte Finanzgeschäfte zu verzichten und für mehr Transparenz bei der Geldanlage zu sorgen, dann würden mehr Banken ähnlich wie die GLS Bank arbeiten.

INTERVIEW: LALON SANDER

Caspar Dohmen: „Good Bank. Das Modell der GLS Bank“. Orange Press, Freiburg 2011, 256 S., 20 Euro