Wer will schon den fertigen Mann?

GESCHLECHTER Die US-amerikanische Journalistin Hanna Rosin ruft „Das Ende der Männer“ aus: Die Frauen gehen in die Rolle der Familienernährerin oder heiraten erst gar nicht. Das Buch, das in Rosins Heimat für Wirbel sorgt, wird hier niemandem wehtun

Der Titel ist knallig: „Das Ende der Männer“. Vielleicht zu knallig, selbst für die Autorin. Zumindest entschuldigt sich Hanna Rosin dafür sogleich bei ihrem Sohn Jakob, dem das Buch gewidmet ist. Ihm will die Reporterin des Magazins The Atlantic nicht attestieren, dass er keine Zukunft hat.

Aber viele Männer, die die US-amerikanische Journalistin auf einer Reise durch ihr Land traf, wissen nicht mehr, wie sie leben sollen. Dazu ist zu viel passiert in den vergangenen Jahren. Von den rund 7,5 Millionen Jobs, die seit 2007 in den Vereinigten Staaten verloren gingen, waren drei Viertel mit Männern besetzt. Die am stärksten betroffenen Branchen hatten ein „ausgeprägtes Macho-Image“ (Rosin): Bau, Industrieproduktion, Finanzmanagement.

Das hat Folgen: Zum ersten Mal in der Geschichte der USA leisten heute mehr Frauen als Männer Erwerbsarbeit. Dieser Trend werde sich verstärken, sagt die Autorin, und in einer Art „rotierender Schwesternschaft“ münden: „Frauen werden berufstätig und verlassen den Haushalt und schaffen damit Haushaltsjobs für weitere Frauen.“ In der Mittelschicht, die in den USA am stärksten betroffen ist, entwickle sich ein neues Matriarchat. Es gibt mehr alleinerziehende Mütter als je zuvor, nur noch rund 43 Prozent der Akademikerinnen sind verheiratet.

Verunsichert, aber nicht am Ende

Was tun die Männer? Jammern? Sich neu erfinden? „Den Schein wahren“, sagt ein Protagonist: „Die Frauen verdienen mehr Geld und zahlen die Rechnungen, aber der Südstaatenmann muss so tun, als ob er derjenige wäre, der alles zusammenhält.“ Rob zum Beispiel, Anfang 40, der sich mit Computerreparieren über Wasser hält. Er liebt Connie, eine gut situierte Lehrerin. Aber ohne gesicherten Status wagt er nicht, sie zu fragen, ob sie heiraten wollen.

Neu sind Rosins Thesen nicht. Schon Autorinnen wie die Schwedin Maria Sveland („Bitterfotze“) und die Britin Caitlin Moran („How To Be a Woman“) beklagten, dass die Geschlechtergerechtigkeit auf sich warten lasse. Aber im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen, die schlagfertige, feministische Streitschriften vorlegten, kommt Rosin nahezu plaudernd und sachlich daher. Das Buch, das in den USA derzeit für Wirbel sorgt, wird hierzulande niemandem wehtun.

Obwohl Amerika auch in Deutschland ist. Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Ruhrgebiet – überall dort, wo Großindustrie zusammenbricht, werden Männer arbeitslos und Frauen vielfach die Familienernährerinnen. Männer sind verunsichert und stellen ihren Lebensentwurf infrage, manche krempeln ihn um. Aber am Ende sind Männer ganz sicher nicht. Sowohl in Deutschland als auch in den USA dominieren die Männer in den Chefetagen, in der Politik, in der Wirtschaft. In Deutschland stecken vor allem Frauen wegen der Kinder zurück, sie hocken auf den gesellschaftlich weniger angesehenen und schlechter bezahlten Jobs, sie landen in der Altersarmut. Solange in Deutschland über Betreuungsgeld, Kita-Plätze und die Quote gestritten wird, ist kein Ende der Männer in Sicht. Fertige Männer will ohnehin niemand. Ein Umdenken in Geschlechterrollen schon. SIMONE SCHMOLLACK

Hanna Rosin: „Das Ende der Männer und der Aufstieg der Frauen“. Berlin Verlag 2013, 352 Seiten, 19,99 Euro