WOLFGANG GAST LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Später Fall-out nach der Spähaffäre

Immer mehr Internetnutzer verzichten wegen der Gefahr von Cyberattacken auf bestimmte Onlinedienste. 47 Prozent verschickten vertrauliche Dokumente nicht per E-Mail, fast ein Drittel meidet Onlinebanking und ein Viertel pfeift aufs Einkaufen im Internet.

Das ergab eine am vergangenen Mittwoch vorgestellte Umfrage des Branchenverbands Bitkom (http://bit.ly/1te1OpA) und das „Lagebild Cybercrime“ des Bundeskriminalamts in Wiesbaden (http://bit.ly/XVmYvQ). Danach macht ein Viertel der Befragten einen Bogen um soziale Netzwerke wie Facebook, ein Fünftel nutze keine Cloud-Dienste, 17 Prozent buchten weder Reisen noch Mietwagen im Netz.

Und die Skepsis gegenüber der Überwachung in der digitalen Welt dürfte drastisch zunehmen. Denn: Internetnutzer verwenden Google, der US-Geheimdienst NSA bringt aber „ICReach“ an den Start. Das berichtet The Intercept (http://bit.ly/1p5IvHo) unter Berufung auf neue Dokumente aus dem Fundus des Whistleblowers Edward Snowden. Demnach hat der US-Geheimdienst eine Google-ähnliche Suchmaschine voll mit Milliarden von Metadaten aufgebaut, über die Behörden wie das FBI oder die CIA zahlreiche Informationen von nahezu allen Internetnutzern der Welt finden können. Die Dokumente sollen weiter belegen, dass die NSA bereits mehr als 850 Milliarden Metadaten mit den Behörden FBI, CIA, Drug Enforcement Administration (DEA) und Defence Intelligence Agency (DIA) teilt.

Mit anderen Worten: George Orwell war gestern. In seinem Klassiker „1984“ gibt es die drei Supermächte Ozeanien, Eurasien und Ostasien, die sich permanent bekriegen. In Ozeanien herrscht der „Big Brother“, es gibt vier wesentliche Ministerien: das der Liebe und das des Überflusses, eines beschäftigt sich mit Frieden, das fieseste ist aber das, das sich der „Wahrheit“ verschrieben hat. Dessen allgegenwärtige „Gedankenpolizei“ überwacht permanent die gesamte Bevölkerung. Mit nicht abschaltbaren Geräten, die zugleich alle Wohnungen visuell kontrollieren und abhören. Wie gesagt: Big Brother war gestern, heute ist NSA.

Die Ansage kann also nur heißen: Daten vermeiden! Digitale Notwehr sozusagen. Und wenn die Bitkom-Studie und der BKA-Lagebericht nicht völlig aus der Luft gegriffen sind – dann scheint da etwas ins Rollen zu kommen.

Der Autor ist Redakteur der taz

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