JUBEL, TRUBEL, MINIMALKONSENS: Gabelstapler und Sexy-Anhalt

Mit Bürgerfest und Ländermeile will der Senat am 3. Oktober Hunderttausende zur Einheitsfeier in City und Überseestadt locken. Plakate werben dafür, das seichte National-Spektakel "zum Desaster" zu machen.

Vorgezogene Einheit: Im September 1990 jubeln deutsch-deutsche LeichtathletInnen Seit' an Seit'. Bild: dpa

Birgitt Rambalski ist guter Dinge. "Nur vier Ministerpäsidenten haben abgesagt, zwölf kommen. So viele waren es noch nie," sagt die Protokollchefin des Rathauses. Seit langem bereitet sie die dreitägige, zentrale Feier zum 20. Jahrestag der deutschen Einheit vor. Ob auch ausländische Politiker der Einladung von Angela Merkal folgen und in zwei Wochen anreisen werden, will Rambalski aber nicht verraten - hier lassen die Zusagen nämlich bislang auf sich warten. Das sei "noch in der politischen Abstimmung," sagt Rambalski.

Gestern stellten Rambalski und Senatssprecher Herrmann Kleen das 110-seitige Programmheft für die Feier vor. "Hier wird unheimlich was los sein", sagte Kleen, und nominell betrachtet mag dies stimmen. Über 100 Konzerte, Diskussionen und Ausstellungen wird es geben, eine extra Straßenbahnlinie - die "Einheitsbahn", ein Schiff-Shuttle zum großen Bürgerfest in der Überseestadt und so weiter.

Kulturell wird Konsens geboten: Nena als Stargast, der Soulmusiker Stefan Gwildis, DDR-Bands wie "Karat", ein Kinderfest mit Milka-Hüpfburg und Imbissbuden mit Spezialitäten aus den 16 Bundesländern. So muss es wohl sein, wenn man mehrere Hunderttausend Menschen in die Überseestadt zu einem Bürgerfest locken will.

Das aber, so sagte Kleen, sei keineswegs mit einem Stadtfest zu verwechseln: "Eine Einheitsfeier muss sich durch Inhalte auszeichnen." Und da gibt es neben Dingen wie dem "Bundesrats-Schülerquiz" oder einem nachgebauten Plenarsaal des Bundestags auch noch die "Ländermeile". Laut Kleen ist das "die Möglichkeit, einmal durch ganz Deutschland zu laufen und es kennen zu lernen". Sachsen-Anhalt etwa, dass sich allen Ernstes als "Sexy-Anhalt" präsentiert oder Brandenburg mit dem Birnenverschenker Herrn Ribbeck aus dem Havelland. Abgerundet wird dies durch eine Trimm-Dich-Bühne namens "Bremen bewegt sich", auf der Ex-Olympiasieger vorturnen oder ein "hochdramatisches" Gabelstaplerballett einer Logistikfirma.

Etwas offiziöser geht es beim zentralen Festakt am Sonntag in der Bremen-Arena zu. Vor 1.300 geladenen Gästen sollen nicht nur Bürgermeister Jens Böhrnsen und Bundespräsident Christian Wulff sprechen, sondern auch das Blaumeier-Atelier ein Theaterstück aufführen. Neben den Länderchefinnen und Chefs waren auch die 33 einstigen Mitglieder der DDR-Übergangsregierung unter dem CDU-Politiker Lothar de Maizière eingeladen, von denen sagte allerdings die Hälfte ab. Erwartet werden aber viele der 400 Abgeordneten der DDR-Volkskammer von 1990, sowie verdiente Bürger. Neben "Bürgerdelegationen" aus den 16 Ländern, seien dies "spannenden Menschen", die zum Beispiel die Gedenkstätten für die Mauertoten an ehemaligen Grenzübergängen aufgebaut haben, erläutert Rambalski.

Ihre Begeisterung teilt nicht jeder. Seit einigen Tagen hängen an vielen Orten in der Stadt "Chaostage in Bremen"-Plakate, mit der Aufforderung, die "Einheitsfeier zum Desaster" zu machen. 2,1 Millionen Euro stellte der Senat nun für die Sicherheitsmaßnahmen in den Nachtragshaushalt für 2010. Das diese nicht schon, wie die 1,7 Millionen Euro für die Feier selbst, im regulären Haushalt eingeplant war, habe "mit der Einschätzung zu tun", sagte Kleen. Gemeint war wohl die Einschätzung der Krawallneigung der Anti-Einheits-Demonstranten.

Insgesamt wird die Feier übrigens zum allergrößten Teil von Bremen und einigen Sponsoren bezahlt. Der Bund beteiligt sich nur mit 184.000 Euro an den Kosten von insgesamt 3,8 Millionen Euro.

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