„Man muss Mensch sein“

LESUNG Wladimir Kaminer über seine politischen Pläne, die Integrations-Debatte und Menschlichkeit

■ 43, geboren in Russland, Autor, lebt seit den neunziger Jahren in Berlin.

taz: Herr Kaminer, wollen Sie immer noch Berliner Bürgermeister werden?

Wladimir Kaminer: Nein. Das war eine politische Provokation. In Berlin läuft wenig Politik und dass wollte ich ändern. Aber ich würde meinen Job als Autor nie aufgeben.

Sind Sie denn zufrieden mit der aktuellen Politik?

Das kann man so nicht sagen, aber ich denke, man kann als Bürger mehr erreichen, denn als Bürgermeister. Wenn ich aus meinem Fenster schaue, sehe ich Unmengen politischer Projekte. Mauerpark, ein Kinderbauernhof ohne Finanzierung, eine alternative Schule ohne Unterstützung. All das wurde von Menschen in die Hand genommen.

Wie sehen Sie die Integrationsdebatte?

Ich bin von der Dummheit, die herrscht, betroffen. Immer wieder geht es darum, schwarze Schafe, zu finden. Auch finde ich es falsch, was Sarrazin sagt: er will eine Leistungsgesellschaft. Maschinen haben Leistung, Menschen nicht. Allerdings sind Leistung und Leidenschaft in unserer Ausbeutergesellschaft schwer zu vereinbaren.

Fühlen Sie sich als Deutscher?

Der Nationenbegriff kommt nur dann auf, wenn Menschen das Bedürfnis haben, auseinander zu laufen. Wenn es sein muss, kann ich mich als Deutscher fühlen, als Russe, als Jude, als weiß-der-Geier-was. Das ist mir nicht so wichtig. Man muss ein Mensch sein. Dazu zählt unter anderem Großzügigkeit und Verständnis. Interview: JAHU

20 Uhr, Lesung, Schlachthof