„Und holten sich ein Schwein“

SZENISCHE LESUNG Das Kulturhaus Walle will die Zeit nach der Befreiung 1945 lebendig machen

■ 62, arbeitet im Kulturhaus Walle/Geschichtskontor und ist auch zuständig für www.digitales-heimatmuseum.de

taz: Herr Saur, das „Jahr Null“ – wann war das in Bremen?

Achim Saur: Der Begriff steht für den Neuanfang nach 1945.

Warum sprach der neue Bremer Senat von einer „Polenplage“?

Erstaunlich unreflektiert. Der Polizeipräsident sprach von Polenterror. In den Senatsprotokollen findet sich kein Hinweis darauf, dass die Senatoren der ersten Stunde nach Kriegsende, die ja aus der Arbeiterbewegung kamen, begriffen, was in den ehemaligen Zwangsarbeitern vor sich gehen könnte. Der Hintergrund ist, dass es so etwas wie eine private Wiedergutmachung der „displaced persons“ gab.

„Displaced persons“?

Das war das Wort der Amerikaner für verschleppte Opfer des Faschismus.

Warum sind die Zwangsarbeiter nicht einen Tag nach ihrer Befreiung zurückgekehrt?

Es gab sogar einzelne Fälle, in denen Polen von den Zügen, die sie zurückbringen sollten, abgesprungen sind. Es gab die Vorstellung eines besseren Lebens im Westen. Mitte des Jahres 1945 lebten noch rund 6.000 in Lagern in Bremen. Während die Bremer von den Alliierten Lebensmittelkarten mit 1.200 Kalorien zugestanden bekamen, hatten „displaced persons“ Anspruch auf 2.000 Kalorien. Daneben gab es einen illegalen Markt, Tauschhandel und private „Wiedergutmachung“: Die Zwangsarbeiter sind auch zu den Bauern gezogen und haben ein Schwein geholt.

Die Lesung …

… soll einen Einblick in diese Nachkriegs-Situation geben. Wir haben Archiv-Material, Erinnerungen, Briefe und auch Roman-Passagen ausgesucht.

Interview: KAWE

19 Uhr, Kulturhaus Walle, Schleswiger Str. 4