Der Rippenqualle auf der Spur

Während der Sommerferien dürfen sechs Schülerteams aus dem Norden auf dem Forschungsschiff „Aldebaran“ mitfahren. Sie forschen über eingereiste Quallen und Muscheln oder testen Geräte, die die Schweinswale vor Fischernetzen schützen sollen

VON ALMUT ROMANSKI

„Man muss immer damit rechnen, dass 95 Prozent der Messungen Schrott sind“, erklärt der Klimaforscher Hartmut Graßl unverblümt. Der ehemalige Leiter des Weltklimaforschungsprogramms möchte zwar keinen seiner jungen Zuhörer entmutigen, aber er will sie schon mal auf die Härten des Forscheralltags vorbereiten.

Aus ganz Norddeutschland sind 17 Schüler angereist. Sie bekommen beim Jugendwettbewerb „Forschen auf See“ die Chance, in sechs Teams nacheinander an einer fünftägigen Expedition auf Nord- und Ostsee teilzunehmen. Mit dem bereits zum vierten Mal durchgeführten Projekt möchte das Hamburger Zentrum für maritime und atmosphärische Wissenschaften (ZMAW) den Nachwuchs fördern.

Exotische Eindringlinge und die Übersäuerung des Meeres sind die Themen des diesjährigen Wettbewerbs, zu dem sich Schüler ab der neunten Klasse bewerben konnten. Die jungen Leute sollen herausfinden, ob durch Meeresströme und Ballastwasser eingeschleppte Tierarten das Ökosystem von Nord- und Ostsee stören. In einem anderen Projekt sollen sie testen, ob Fischer mit Geräten, die unter Wasser Lärm erzeugen, den ungewollten Beifang von Schweinswalen verhindern können. Und sie sollen ergründen, welche Folgen der Klimawandel für Mikro-Organismen hat.

Doch bevor die erste Schülergruppe Ende Juli mit dem Segelschiff „Aldebaran“ in See sticht, werden die Schüler vor den Ferien in die Räume der Hamburger Körber-Stiftung eingeladen. Der emeritierte Meteorologe Graßl, der bei seiner Einführung die Schüler vor den Tücken des Forscheralltags warnt, ist einer von sechs Wissenschaftlern, die jeweils ein Schülerteam an Bord betreuen.

Ein Team kommt aus dem ostfriesischen Jever. „Wir wollen die Ausbreitung der amerikanischen Rippenqualle untersuchen“, sagt die 18-jährige Mona Struckmann, die mit ihrem dreiköpfigen Team bereits zum zweiten mal mitforscht. Im vergangenen Jahr hatten sie und ihre Mitstreiter Alexander Schlake und Anna Walentowitz erforscht, wie sich die aus dem Pazifik eingeführte Auster auf das Ökosystem Wattenmeer auswirkt. Sie fanden heraus, dass die eingereiste „Crassostrea gigas“ die europäische Auster nicht verdrängt und die Vielfalt auf den Muschelbänken erhalten bleibt.

Auch die Rippenqualle ist ein solcher Eindringling, den die Schülergruppe erst mal orten will. „Zuerst nehmen wir Schöpfproben, um herauszufinden wo sich die meisten Quallen aufhalten“, beschreibt Alexander Schlake den Beginn der Expedition. Haben die drei Schüler die bevorzugten Wasserschichten der Tiere bestimmt, können sie aufgrund von Salzgehalt und Temperatur auf die ökologischen Bedürfnisse der Spezies schließen.

Mona und ihre Mitstreiter sind schon seit Jahren in der Watt-AG ihrer Schule aktiv. Sie reizt aber nicht nur das Einholen und Auswerten von Messdaten. „Es ist einfach ein toller Urlaub, fünf Tage zusammen forschen und segeln“, sagt Mona.

Die fünf anderen Gruppen wissen noch nicht, was an Bord des Forschungsschiffs „Aldebaran“ auf sie zukommt und ob es ihnen gelingt, eine Antwort auf ihre Forschungsfrage zu finden. „Eigentlich kann man nie wissen wie so eine Expedition verläuft. Auch als erfahrener Wissenschaftler nicht“, konstatiert der Physiker Hartmut Graßl. Was auf See passiere, hänge stets von Unwägbarkeiten wie Wetter und Gezeiten ab. Aber so unterscheidet sich dieser Meereswettbewerb eben vom Biologieunterricht im Schullabor. Am Ende bekommen die besten drei Teams einen Preis und Zugang zu weiteren Wettbewerben wie „Jugend forscht“. Aber letztlich geht es bei den fünftägigen Forschungsfahrten nicht darum, herausragende Ergebnisse vorzuweisen, sondern einen Einblick zu gewinnen.

Zudem können und sollen die Jugendlichen ihre Arbeit auf der „Aldebaran“ filmisch dokumentieren und ihr Schiffstagebuch über Internet zugänglich machen. Für Frank Schweikert, einen der Organisatoren des Wettbewerbs, der auch selbst als Skipper die Tour der Schüler vom Hamburger Gymnasium Heidberg begleitet, ist das Filmen an Bord wichtig: „Die Jugendlichen forschen nicht nur für sich, sondern können die Öffentlichkeit an ihrem Tun teilhaben lassen“, sagt er. So könnten mehr Menschen „für die maritimen Lebensräume sensibilisiert werden.“