Bringt’s die beste Lage?

WELTLÄDEN Sie werden meist von Ehrenamtlichen getragen, doch immer mehr setzen inzwischen bezahlte Mitarbeiter ein. Nicht alle sehen eine Chance in Professionalisierung

Umzug von der Seitenstraße in die belebte Fußgängerzone mit viel Laufpublikum?

VON JOACHIM GÖRES

Rund 750 Weltläden gibt es in Deutschland. In ihnen verkaufen vor allem ehrenamtliche Mitarbeiter, meist im Rentenalter, fair gehandelte Produkte wie Schokolade, Tee oder Kaffee und informieren über die Arbeitsbedingungen der Produzenten in Afrika, Asien oder Lateinamerika. Angesichts insgesamt stagnierender Umsätze machen sich immer mehr Weltläden inzwischen Gedanken darüber, wie sie neue Kunden erreichen – etwa durch die ansprechende Präsentation der Waren durch schönere Regale. Zu der zunehmenden Professionalisierung gehört auch der Umzug von der versteckten Seitenstraße in die belebte Fußgängerzone mit viel Laufpublikum und die Beschäftigung von bezahlten Mitarbeitern, um so etwa lange Öffnungszeiten zu garantieren. Eine Entwicklung, die in den überwiegend ehrenamtlich arbeitenden Weltläden ganz unterschiedlich beurteilt wird.

Tanja Sommer-Mangold vom Weltladen in Ravensburg in der Nähe des Bodensees ist mit einer Zweidrittelstelle beschäftigt, dazu kommen weitere sechs 400-Euro-Kräfte. Sie sorgen mit sieben Ehrenamtlichen dafür, dass der 70 Quadratmeter große Laden von morgens bis abends geöffnet ist. Am Marktplatz hat man neben den Stammkunden auch viel Laufkundschaft, die im letzten Jahr für einen Umsatz von 200.000 Euro sorgten. „Wir überlegen, aus der jetzigen 1b-Lage noch mehr ins Zentrum zu ziehen und uns dabei zu vergrößern. Nach den Rückgängen durch die Wirtschaftskrise verkaufen wir jetzt wieder mehr und durch einen besseren Standort könnten wir unser Ergebnis sicher noch steigern“, so Sommer-Mangold. Für sie geht es neben dem Verkauf auch immer um die Information der Kunden über die Lebens- und Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern. „Es kommen zum Beispiel viele Schulklassen zu uns.“

Im Weltladen im schwäbischen Tuttlingen hat man auch überlegt, feste Mitarbeiter einzustellen, und sich letztlich dagegen entschieden. „Wir finden das gegenüber den Ehrenamtlichen nicht fair. Bei uns bekommt nur die Putzfrau Geld“, sagt Sigrid Ubert, eine von zehn Ehrenamtlichen, die den Laden leiten. Der Umsatz lag im vergangenen Jahr bei rund 100.000 Euro. „2010 war in der Gegend noch Kurzarbeit verbreitet. Viele Kunden aus der Mittelschicht haben deshalb bei uns weniger eingekauft. Jetzt wird bei uns wieder mehr Geld ausgegeben“, freut sich Ubert.

In Neumünster in Schleswig-Holstein hat der Weltladen den Schritt in eine teurere Geschäftslage vor zwei Jahren gewagt – von einer versteckten Seitenstraße in die stark frequentierte Holstenstraße. „Wir erreichen so mehr Menschen. Allerdings hatten wir auf eine noch stärkere Resonanz gehofft“, sagt Katja Ostheimer, Vorstandsmitglied des Ladenvereins. Der beschäftigt eine 400-Euro-Kraft, dazu kommen ein Dutzend ehrenamtliche Mitarbeiter. Sie sorgten im vergangenen Jahr für einen Umsatz von knapp 70.000 Euro – gerade ausreichend, damit sich der Laden trägt. Vor allem Kaffee und Kunsthandwerk wie Tücher, Körbe, Kerzen und Handtaschen seien gefragt. Problematisch sei die kleine Zahl der Aktiven – oft könne nur eine statt wie vorgesehen zwei Personen den Ladendienst übernehmen. „Der neue Laden bietet mehr Platz, dadurch können wir mehr Veranstaltungen anbieten“, betont Ostheimer die Bedeutung der Bildungsarbeit.

Im brandenburgischen Storkow gibt es seit 1999 einen Weltladen. Mitten im Zentrum erreichen die neun Ehrenamtlichen neben den Stammkunden auch Laufkundschaft, bei denen vor allem Kunstgegenstände als Geschenke beliebt sind. Trotz großzügiger Öffnungszeiten (36 Stunden wöchentlich) und passabler Verkaufsfläche (50 Quadratmeter) liegt der Jahresumsatz aber nur bei rund 12.000 Euro. „Seit 2009 ist der Verkauf zurückgegangen und auch dieses Jahr läuft mau. Die wirtschaftliche Lage im Osten ist eben schwierig“, meint Maik Göricke, Vorsitzender des Ladenvereins.

Einen ganz anderen Weg gehen die Contigo-Weltläden, in denen nur bezahlte Mitarbeiter beschäftigt sind. „Wir rösten den Kaffee selber, das zieht die Menschen an. Viel Umsatz machen wir mit Non-food-Artikeln, die wir edel präsentieren“, sagt Aykut Kayabas, Ladeninhaber in Lübeck. Vor 15 Jahren hat die Contigo GmbH in Göttingen dieses Konzept entwickelt, zu dem ein hochwertiger Auftritt in zentraler Lage unter dem Contigo-Logo gehört. Kayabas zahlt als selbstständiger Kaufmann eine Lizenzgebühr für den Namen. Sein Umsatz lag 2010 bei 260.000 Euro, bei einem jährlichen Plus von drei Prozent. Inzwischen gibt es 15 Contigo-Weltläden in deutschen Großstädten, in denen fast ausschließlich fair gehandelte Produkte verkauft werden. Bildungsarbeit spielt keine Rolle.

Im deutschen Weltladendachverband mit Sitz in Mainz sind 470 Weltläden zusammengeschlossen. Der Umsatz aller Mitglieder lag im vergangenen Jahr bei 22 Millionen Euro. „Diese Zahl stagniert in den letzten Jahren. Wir wollen durch Schulung der Mitarbeiter erreichen, dass die Qualität im Verkauf gesteigert wird. Vor allem der Verkauf von Kunsthandwerk sollte ausgebaut werden, denn das bietet außer uns keiner an“, sagt Geschäftsführer Klaus Wöldecke. Er begrüßt den Trend zur Beschäftigung von bezahlten Kräften, sieht dabei aber Grenzen. „Von einem Weltladen zu leben und dabei auf Ehrenamtliche zu verzichten ist nicht möglich.“ Contigo ist seiner Meinung nach kein Weltladen, sondern ein Fair-Trade-Shop, der im Gegensatz zu den Weltläden an einen Importeur gebunden ist. Ein weiterer Unterschied: Weltläden streben keinen Gewinn an, sie spenden Überschüsse häufig für Projekte in Entwicklungsländern.