Meerschweinchen können nicht weinen

TIERHALTUNG Die Kinder wollten sie haben, unbedingt. Doch dann stellt sich heraus, dass die niedlichen Kuscheltiere womöglich gar nicht kuscheln wollen. Und dass das auch gar nicht so schlimm ist

Meine Tochter ging auf Meerschweinchen-Messen und machte sich über artgerechte Haltung kundig

Es gibt Menschen, die Haustiere mögen, und es gibt welche, die sie lieber auf Abstand halten. Mein Mann und ich gehören zur zweiten Gruppe und hatten uns auch fest vorgenommen, unseren Kindern keine Haustiere zu erlauben.

Moralisch gestärkt wurden wir bei jedem zweiten Kinderarztbesuch. Denn unsere Kinder hatten eine Hausstauballergie. Die strenge Arztfrage „Haben Sie Haustiere?“ konnten wir stets mit „Nein“ beantworten, worauf wir immer ein „Das ist gut“ zu hören bekamen. Danke Asthma, danke Neurodermitis.

Aber dann wurden die Kinder älter, die Wehwehchen weniger und der Wille größer. Schließlich, so in der sechsten Klasse, schienen alle Klassenkameradinnen meiner Tochter auf einmal Meerschweinchen zu haben. Nur sie nicht. Und wir wurden gemeine Eltern, die einen Herzenswunsch nicht erfüllen wollten. Holte ich mein Kind bei ihrer Freundin ab, wurde ich stets gebeten, eines der wuscheligen Nagetiere auf den Arm zu nehmen. „Nimm doch mal, die tun nichts.“

Ich konnte es aber nicht. „Ich bin tierschüchtern“, fiel mir als Entschuldigung ein. Und so war es auch. Ich hatte Angst vor dem Körperkontakt zu diesen Wesen.

Heute haben wir trotzdem zwei Meerschweinchen. Zum zwölften Geburtstag wünschte meine Tochter sich schlicht nichts anderes. Und ich hatte von der Möglichkeit gehört, die Tiere im Garten unter einem trockenen Unterstand zu halten. Das Allergie-Argument war damit tot. Es bezieht sich nur auf Tiere im Haus.

Also einen teuren Außenstall und zwei süße kleine Meerschweinchen – es müssen zwei sein – gekauft. Meine Tochter ging sogar auf Meerschweinchen-Messen und machte sich über artgerechte Haltung kundig. Ja, und dann brachte sie ein Faltblatt des „Meerschweinchen Hobby-Club e. V.“ mit, das für mich die Rettung war.

Meerschweinchen seien keine Kuscheltiere, erfuhr ich dort. Sie kuscheln nicht miteinander und sie mögen es auch nicht, mit den Menschen zu kuscheln. Liegen sie auf dem Schoß eines Menschen, verfielen sie in eine „Schreckstarre“.

Die Streicheleinheiten von Menschen lasse das Tier über sich ergehen, sei aber dabei im Stress und genieße diese Nähe nicht. Man dürfe den Tieren aber mit der Hand Futter hinhalten und sie gelegentlich zur Pflege auf den Arm nehmen.

Die Meinungen gehen hier wohl auseinander. So zeigt ein anderer Ratgeber ein Tier auf dem Arm eines Mädchens mit dem Hinweis, sei das Meerschweinchen erst mal zahm, genieße es „die tägliche Zuwendung seines Halters“.

Mir gefiel der distanziertere Umgang. Wir haben eine innige Versorgungsbeziehung zu „Maggie“ und „Marie“, bauen oft ihr Gehege um, geben frisches Streu und Futter und passen auf, dass keine Katze kommt, wenn sie im Freien grasen. Wir sorgen für ausreichende Wärme im Winter. Aber kuscheln müssen weder sie noch wir. RENATE KIESSELBACH