Schneckengift könnte die Insulinproduktion erhöhen

DIABETES Ein Forscherteam aus Kiel, Lübeck und Göttingen ist neuem Therapie-Ansatz auf der Spur

Das Gift der Kegelschnecke könnte in Zukunft möglicherweise zur Behandlung von Diabetes Typ 2 eingesetzt werden. Wissenschaftler der Universitäten Kiel, Lübeck und Göttingen haben im Gift dieser Schnecken eine Substanz entdeckt, die die Freisetzung von Insulin in der Bauchspeicheldrüse erhöhen kann. Im Gegensatz zu herkömmlichen Diabetes-Medikamenten sollen bei dieser Therapie keine Unterzuckerungen auftreten.

Kegelschnecken sind im Meer lebende Raubtiere. Sie lauern am Grund des Ozeans kleinen Fischen auf und injizieren ihrer Beute durch einen Rüssel einen lähmenden Giftcocktail. Bestandteile des Kegelschneckengifts, die sogenannten Conopeptide, werden bereits als Schmerzmittel bei schweren chronischen Schmerzen eingesetzt. Seit 2005 ist das Präparat für den europäischen Markt zugelassen. Das synthetisch hergestellte Ziconotid, das ursprünglich aus dem Schneckengift stammt, gilt als eines der ersten Medikamente überhaupt, das aus einem marinen Organismus stammt.

Neu ist der Einsatz von Schneckengift als Medikament also nicht, aber das Forscherteam der Universitäten Kiel, Lübeck und Göttingen hat nun zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Kanada die Wirkungsweise eines bestimmtes Peptids des Schneckengiftes (Conkunitzin-S1) an Ratten getestet. Herausgefunden haben sie bei den oralen Glukose-Toleranz-Tests, dass es die Freisetzung von Insulin in Zellen der Bauchspeicheldrüse verändern kann und nicht zu einer Unterzuckerung führt. „Dies könnte ein neuer Ansatz für die Behandlung von Typ-2-Diabetes sein“, sagt der Neurophysiologe Heinrich Terlau vom Physiologischen Institut der Christian-Albrechts-Universität Kiel (CAU).

Wird durch die Nahrung Glukose aufgenommen, setzen die Zellen der Bauchspeicheldrüse Insulin frei und der Zucker im Blut wird wieder abgebaut. Bei Patientinnen und Patienten, die an Typ-2-Diabetes erkrankt sind, ist dieser Mechanismus laut Terlau gestört und es kommt zu einer Überzuckerung des Blutes. Die neu entdeckte Substanz, das Conopeptid Conkunitzin-S1, bindet sich gezielt an einen bestimmten Kaliumkanal in den Zellen der Bauchspeicheldrüse und führt so zu einer kurzzeitig vermehrten Freisetzung von Insulin – allerdings nur dann, wenn der Zuckergehalt im Blut erhöht ist.

„Substanzen, die standardmäßig für die Behandlung von Typ-2-Diabetes eingesetzt werden, wirken zum Teil unabhängig vom Blutzuckergehalt“, sagt Terlau. Das könne zu einer Unterzuckerung, einer sogenannten Hypoglykämie, führen. Das Neue bei der Substanz aus dem Schneckengift sei, dass sie sehr spezifisch wirke und daher die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen wie Unterzuckerung sehr gering sei. Es treten also nicht die typischen Nebenwirkungen mancher herkömmlicher Medikamente auf.  ILK