Blüten mit Schattenseiten

NEUSTART Ein Importeur plant ein neu konzipiertes System für „saubere Blumen“, nachdem das FLP-Siegel gescheitert ist

Das neue System soll nicht die einzelne Blume zertifizieren, sondern die Läden

VON ANNETTE JENSEN

Deutschland ist Europas größter Markt für Schnittblumen: Otto und Emma Normalverbraucher geben etwa 36 Euro pro Jahr für Blühendes aus. Weniger als jeder fünfte Stiel stammt aus dem Inland, die meisten Rosen, Lilien, Gerbera, Orchideen und Nelken kommen dagegen über die Amsterdamer Blumenbörse nach Deutschland. Erst bei der Auktion entscheidet sich der Preis, was für die Züchter in Kenia, Tansania, Uganda, Kolumbien und Ecuador bedeutet: Der Verkauf deckt manchmal kaum die Herstellungs- und Transportkosten.

Entsprechend schlecht sind die Arbeitsbedingungen auf vielen Plantagen. Etwa 200.000 bis 300.000 Menschen schuften in der Blumenindustrie in der Nähe des Äquators. Nach Recherchen von internationalen Gewerkschaften verdienen sie in einigen Fällen weniger als einen Dollar am Tag und stehen ohne Schutzkleidung in Pestizidwolken, die Asthma und Ekzeme verursachen. Wollen sie bessere Arbeitsbedingungen erkämpfen, fliegen sie häufig raus.

Wer sein Wohnzimmer nicht mit derart hergestellten Blumen schmücken mag, sollte entweder hier wachsende Sorten wählen oder Rosen mit Fairtrade-Siegel. 90 Prozent davon importiert der Neu-Isenburger Großhändler Omniflora direkt von den afrikanischen und lateinamerikanischen Vertragsfarmen, so dass die mit sicheren Preisen kalkulieren können. Die Einnahmen aus dem Verkauf von gesiegelten Blumen liegen nach Angaben von Transfair über doppelt so hoch wie die in Amsterdam durchschnittlich zu erzielenden Preise. Dafür müssen sich die Farmen regelmäßig kontrollieren lassen, was mit jährlich bis zu 2.500 Euro zu Buche schlägt. Sie sind verpflichtet, höhere Löhne zu zahlen, anständige Arbeitszeiten einzuhalten, für Gewässer- und Erosionsschutz zu sorgen und den Pestizideinsatz zu reduzieren. Darüber hinaus können die Arbeitnehmervertretungen auf den Farmen entscheiden, was mit der Fairtrade-Prämie geschieht, einem zehnprozentigen Aufschlag auf den Exportpreis. Oft finanzieren sie damit Schulstipendien ihrer Kinder, eine Verbesserung der Krankenversorgung oder die Anschaffung von Hühnern, damit die Arbeiterfamilien selbst Eier und Fleisch erzeugen können.

Zu kaufen gibt es die fairen Rosen und wenigen anderen Blumen vorwiegend in Supermärkten wie Rewe, Penny und Edeka, aber auch bei Blume 2000, Blumen Risse und 400 kleineren Einzelhändlern. Etwa sieben Prozent der Rosen in Deutschland waren 2011 vom Fairen Handel zertifiziert. „In diesem Jahr aber wachsen wir sehr rasch; mal sehen, ob wir vielleicht sogar 20 Prozent schaffen“, sagt Claudia Brück von Transfair.

Dagegen ist das FLP-Siegel im Frühjahr de facto zusammengebrochen. Dieses hatten die Menschenrechtsgruppen terre des hommes, Fian und Brot für die Welt zusammen mit Gewerkschaften, Blumenhändlern und -produzenten 1999 initiiert. „Die Händler haben das Siegel zwar genutzt, aber völlig unzureichend beworben“, begründet Gertrud Falb von Fian, warum die zivilgesellschaftlichen Organisationen sich zurückgezogen haben. Auch zwischen den Produzenten und Verkäufern gab es Krach, weil es für die Händler keine festgeschriebenen Pflichten gab, während die Farmen sich Kontrollen unterziehen mussten. Immer mehr Blumenzüchter verließen schließlich das System, das in den besten Zeiten drei Prozent des gesamten deutschen Blumenmarktes abgedeckt hatte. Auch der Versuch, FLP bei Transfair anzudocken, scheiterte. „Das Ganze war eine Fehlkonstruktion, weil die zivilgesellschaftlichen Gruppen die Kontrollen auswerten mussten; aber das ist ja eigentlich eine Aufgabe der Blumenindustrie selbst“, so Claudia Brück.

Karl Heinz Kröll, Leiter des Kölner Blumenimports „Blütenpracht“, saß als Wirtschaftsvertreter im FLP-Vorstand und wickelt die Organisation gegenwärtig ab. „Der Anspruch ist ja berechtigt, dass wir wissen sollten, wo unsere Ware herkommt und unter welchen Bedingungen sie hergestellt wird“, sagt er. Doch zugleich hält der gelernte Völkerkundler es für eine Illusion, dass jeder Florist über jede Blume in seinem Laden Bescheid weiß. „Die kaufen ja nach Kriterien wie Farbe ein und nicht nach den Anbaubedingungen.“ Um dem Bedürfnis der Kundschaft nach „sauberen Blumen“ Rechnung zu tragen, will er nun zusammen mit einigen Kollegen ein neues System aufbauen. Das soll nicht die einzelne Blume zertifizieren, sondern den Kunden durch ein Label an der Ladentür signalisieren: Dieser Blumenladen beteiligt sich daran, mehr Transparenz und Nachhaltigkeit im Blumenhandel durchzusetzen. Finanziert werden soll zunächst eine Bestandsaufnahme, wo die hierzulande verkauften Blumen herkommen und unter welchen Arbeitsbedingungen sie in den verschiedenen Ländern hergestellt werden. Anschließend sollen immer mehr Farmen aufgefordert werden, sich auf Kosten der deutschen Händler zertifizieren zu lassen. Die erste Stufe ist dabei der freiwillige Standard Globalg.a.p. für landwirtschaftliche Produkte, die zweite die strengeren FLP-Kriterien. „Wenn wir weiter einzelne Blumensträuße zertifizieren, kommen wir nicht wirklich voran. Wenn wir aber den Anteil der Farmen mit Zertifikat von 10 auf 20 Prozent erhöhen, dann haben wir wirklich was erreicht“, meint Kröll. Schließlich verkaufe keine Farm ihre Blumen ausschließlich nach Deutschland, sondern in die ganze Welt – und sein System werde den Arbeitern auch bei Kontingenten nützen, die in Länder ohne faire Handelstradition gehen. Kröll kündigt die Kontrolle durch einen Ethikrat an und die Veröffentlichung aller Untersuchungsergebnisse im Internet. Anfang 2013 soll das neue System starten, so sein Plan. „Da ist noch viel zu tun. Ich muss das ja alles nebenher aufbauen.“

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