Ein streunender Kater am Schwarzen Meer

BALKANTRONICS In Sofia entwirft der Produzent Kottarashky Klangcollagen – und Häuser

VON STEFAN MÜLLER

Nikola Gruev ist im Hauptberuf Architekt: Die postmoderne Innenausstattung des Malak-Theaters in Sofia geht auf sein Konto. Zu Hause wird aus ihm Kottarashky. Der Name bedeutet auf Bulgarisch „Kater“ – und ist ein verbreiteter Nachname.

Ganz wie ein streunender Kater schleicht Nikola oft mit einem Aufnahmegerät um die Häuser und nimmt Umgebungsgeräusche auf: Zufällige Sounds, Rhythmen und Situationen, aus denen sich Songs und Tracks basteln lassen. Am liebsten verlässt Nikola die bulgarische Hauptstadt und fährt in die Berge, an der Grenze zur Türkei. Dort, in den Rodopen und am schwarzen Meer, hat er viel Material gesammelt. „Ich bin auf der Suche nach einer authentischen Komponente für meine Musik“, sagt Gruev. „Viele Aufnahmen sind bei Hochzeiten oder anderen Feiern entstanden.“

Der Bulgare liebt die dörfliche Stimmung, wenn die Bewohner an einem Sommerabend draußen zusammensitzen und gemeinsam ein Lied anstimmen. „Man fühlt einfach, dass die Uhren dort langsamer gehen“, so Gruev. Er selbst hat eine Vorliebe für entspannte Rhythmen.

Zu seinen Einflüssen zählt Kottarashky neben den Gypsy-Bands aus Osteuropa so unterschiedliche Musiker wie Tom Waits, Bob Marley, Jimi Hendrix, John Coltrane und James Brown, aber auch Electro-Produzenten wie den Brasilianer Amon Tobin. Als Meister der Sample-Bibliotheken auf seiner Festplatte bewegt sich Nikola Gruev im Windschatten von Vorreitern des Genres wie DJ Shadow und Mr. Scruff. Doch das autarke Arbeiten im Studio hat auch seine Nachteile, weshalb Nikola für sein zweites Album „Demoni“ eine Band zusammengestellt hat. Im Zentrum steht dabei Klarinettist Aleksandar Dobrev. „Das Ergebnis ist ein kraftvollerer Sound“, findet Nikola. Im Herbst kommen Kottarashky & The Rain Dogs mit ihrem groovenden Neo-Balkan-Blues auf Deutschlandtour. In Sofias Musikszene galt Nikola lange als Einzelkämpfer. Aber die Anzahl seiner Fans wuchs in den sozialen Netzwerken zuletzt rasant. Über das Internet kam Nikola auch in Kontakt zur Berliner Plattenfirma „Asphalt Tango“, die bisher auf traditionell geprägte Balkanmusik spezialisiert war. Die Kombination passte gut, zumal Kottarashky auf seiner Debüt-CD „Opa Hey!“ kleine Ausschnitte aus einem Titel der Gypsyband Fanfare Ciocarlia benutzt hatte, die bei den Berlinern unter Vertrag ist.

Auf zwei Songs des neuen Albums ist Tui Mamaki zu hören. Die Neuseeländerin hatte sich über Myspace bei Nikola gemeldet und wollte unbedingt mehr erfahren über die mystischen Klänge aus Bulgarien, die Obertonsängerinnen der „bulgarischen Stimmen“. Und so kam es, dass Mamaki nach Sofia reiste; dabei entstanden die Songs „Begemot“ und „Put a Blessing on“.

Und hier taucht auch der Kater wieder auf: als Zitat aus Bulgakows Klassiker „Der Meister und Margarita“. Dort ist „Begemot“ ein Riesenkater, ein Dämon. Tui rappt nach einem langen Intro: „A red cat is sitting on the roof. Whats inside? Demons? Witches?“. Nikola sinniert: „In Bulgarien haben wir ganz schön viele Dämonen – und wir haben viele Kämpfe mit ihnen auszutragen!“

■ Kottarashky & The Rain Dogs: „Demoni“ (Asphalt Tango)