Bauen ohne Grund

ERBPACHT Beim Erbbaurecht spart man sich die Grundstückskosten und zahlt dafür einen stetig wachsenden Erbbauzins. Eine attraktive Lösung für kapitalschwache Bauherren. Aber Vorsicht: Beim Wiederverkauf lauern Tücken

■ Lange Laufzeiten zwischen 75 und 99 Jahren sind bei Erbbauverträgen üblich.

■ Die Pächter können nach Vertragsabschluss eine Immobilie nach ihren Vorstellungen errichten und übernehmen damit alle Rechte und Pflichten eines Grundstückseigentümers wie die Erschließungskosten sowie die Zahlung von Abgaben wie der Grundsteuer.

■ Das Erbbaurecht wird ebenso wie ein Immobilien-Kaufvertrag im Grundbuch eingetragen und kann vererbt oder veräußert werden.

■ Über freie Erbbaugrundstücke kann man sich bei seiner Kommune oder bei kirchlichen Stellen kundig machen – oder unter www.klosterkammer.de/html/baugrundstuecke.html.

■ Tipp von Matthias Nagel von der Klosterkammer: „Man muss darauf achten, worauf sich der Erbbauzinssatz bezieht. Meistens ist das der Bodenwert, aber auch eine andere Grundlage ist möglich.“  JOG

VON JOACHIM GÖRES

„Wer auf einem Grundstück der Klosterkammer Hannover bauen möchte, der erspart sich einen Grundstückskauf.“ So steht es auf der Homepage der Klosterkammer, die kirchliches Vermögen vor allem in Niedersachsen verwaltet und mit rund 16.700 Erbpacht-Verträgen der größte Verwalter von Erbbaurechten in Deutschland ist.

Bauen, ohne ein Grundstück kaufen zu müssen – das hört sich bei fünf- bis sechsstelligen Summen für das Bauland gut an. Statt dessen können Bauwillige mit der Klosterkammer einen Vertrag über 80 Jahre abschließen, in dem sie sich verpflichten, für die Nutzung jährlich fünf Prozent des Grundstückswerts an Erbbauzinsen zu zahlen. Läuft der Vertrag aus, kann er um die gleiche Laufzeit verlängert werden. Und damit fängt häufig der Ärger an.

Probleme fangen beim Weiterverkauf an

„Ich wollte mein Haus verkaufen, weil ich aus beruflichen Gründen nach Hamburg ziehe“, sagt Unternehmensberater Andreas Tietze, der vor zehn Jahren in Bad Iburg bei Osnabrück ein Erbbaugrundstück von der Klosterkammer Hannover gepachtet hat, um dort ein Haus zu bauen. Der jetzige Erbbauvertrag läuft noch 17 Jahre. „Es wäre für mich einfacher, einen Käufer für das Haus zu finden, wenn ich den Vertrag bereits jetzt verlängern könnte. Doch dann müsste ich pro Jahr nicht mehr wie bisher 1.126 Euro für den Erbbauzins zahlen, sondern 3.615 Euro.“ Das findet Tietze kaufmännisch unfair: „Fünf Prozent sind Wucherzinsen, ich bekomme derzeit eine Finanzierung schon für 1,9 Prozent.“ In den Augen des Erbbaurechtsgebers ist dies Vorgehen dagegen keineswegs verwerflich.

Der aktuelle Grundstückswert liege meist deutlich über dem vor 80 Jahren, also seien auch die Erbbauzinsen bei einem neuen Vertrag entsprechend höher. Außerdem werde der Wert nicht willkürlich festgelegt, sondern von einem neutralen Gutachterausschuss der kommunalen Katasterämter ermittelt. Die derzeit gültigen fünf Prozent Erbbauzinsen bei Grundstücken für Wohnzwecke sind in der niedersächsischen Landeshaushaltsordnung festgelegt und die Klosterkammer müsse sich als Landesbehörde daran halten. Nur bei Neuverträgen könne sie nach einem Erlass des Wissenschaftsministeriums angesichts der niedrigen Kreditzinsen weniger verlangen – so lautet die Position von Matthias Nagel, Leiter der Liegenschaftsabteilung der Klosterkammer.

Zinsen steigen mit Preisen statt mit Gehältern

Auch die Zinsanpassung – alle fünf bis zehn Jahre wird der Zinssatz entsprechend der Inflationsrate erhöht – sorgt für Unmut bei den Pächtern. „1999 haben wir mit der Klosterkammer für unser Grundstück in Wennigsen bei Hannover einen Vertrag mit einem Zinssatz von fünf Prozent abgeschlossen, jetzt zahlen wir bereits 5,9 Prozent“, sagt Martina Huhß. Die Sprecherin der IG Erbbau, eine Interessengemeinschaft von Erbbaurechtsnehmern, fordert dagegen, dass das Nettoeinkommen die Basis für die Berechnung bilden soll. „Es gibt keinen Index für die Ermittlung des Nettoeinkommens, entgegnet Nagel. „Außerdem haben Gerichte unser Vorgehen bestätigt.“

Falls der Erbbaurechtsnehmer den auslaufenden Vertrag nicht verlängern will, müsste ihm nach Ansicht der IG Erbbau der volle Gebäudewert als Entschädigung gezahlt werden. Üblich ist, dass der Grundstückseigentümer zwei Drittel des von einem Gutachter bestimmten Werts an den Hauseigentümer erstatten muss. „Wenn wir innerhalb von einem Jahr nach Auslaufen des Vertrages das Haus zum vollen Wert verkaufen können, dann zahlen wir dem Erbbaurechtsnehmer auch diese 100 Prozent“, sagt Nagel, nebenbei auch Geschäftsführer des Deutschen Erbbaurechtsverbandes, zu dem sich 17 Mitglieder mit rund 45.000 Erbbaugrundstücken zusammengeschlossen haben.

Kinderreiche Familien sind im Vorteil

„Wir haben derzeit einen schweren Stand, Interessenten für unsere Grundstücke mit Erbbaurecht zu finden. Bei den niedrigen Zinsen wollen Bauwillige lieber ein Grundstück kaufen“, sagt Detlef Krone, Leiter der Liegenschaften im Bischöflichen Generalvikariat, das für katholische Gemeinden im Bistum Osnabrück 2.200 Erbbaugrundstücke verwaltet. Bei neuen Verträgen im Bistum Osnabrück beträgt der Erbbauzinssatz drei Prozent des Bodenrichtwertes, und je nach Anzahl der Kinder, für die die Eltern Kindergeld beziehen, vermindert sich dieser Betrag um 20 Prozent bei zwei Kindern, 40 Prozent bei drei Kindern, 70 Prozent bei vier Kindern und sogar um 100 Prozent ab fünf Kindern.

„In den 70er-Jahren in der Hochzinsphase mit bis zu neun Prozent Kreditzinsen waren Erbbauverträge bei Bauherren sehr populär“, bestätigt Stefan Walter, Geschäftsführer Steuern und Finanzen beim Verband Haus & Grund Deutschland. „Derzeit ist die private Nachfrage wegen der geringen Darlehenszinsen nicht sehr groß.“ Anders sehe es in Großstädten mit hohen Mieten und Grundstückspreisen aus – viele Kommunen überlegten, ihre Grundstücke an einen Investor zu verpachten. Dadurch könnten die Baukosten sinken, was zu geringeren Mieten führen soll. Zudem behält die Kommune auf diese Weise langfristig Einfluss auf die Erbbauflächen. Neben den Kirchen gehören die Kommunen zu den großen Erbbaurechtsgebern. Die Städte Lübeck und Wolfsburg zum Beispiel verpachten jeweils rund 8.000 Grundstücke.

„Ich sehe für das Erbbaurecht eine gute Zukunft. Im Jahre 2000 sind rund 750 Verträge bei uns ausgelaufen, nur 20 Hauseigentümer wollten nicht verlängern“, sagt Nagel. Das Fazit von IG-Erbbau-Sprecherin Huhß fällt etwas anders aus: „Der Klosterkammer gehören etwa die Hälfte der Grundstücke in Wennigsen, man hat als Bauwilliger also keine große Auswahl und muss sich oft auf ihre Bedingungen einlassen. Wir fordern, dass wir als Hauseigentümer eine Ankaufmöglichkeit bekommen.“ Daran hat die Klosterkammer allerdings kein Interesse.